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Zwischen Reben und Obstbäumen: Mobiles Labor identifiziert Schaderreger Forschungsprojekt PhenoTruck®

Der Klimawandel fördert die Einschleppung gefährlicher Schaderreger in die deutsche Landwirtschaft. Zügige Erkennung ist entscheidend, um Schäden zu verhindern. In diesem Fachartikel erklären zwei Experten, wie der PhenoTruck® Schaderreger identifiziert – und zwar schnell, direkt vor Ort und mit moderner Technik.

Im Sommer 2025 wurde der PhenoTruck® auf seine Funktionalitäten geprüft. Ergebnis: Der Testlauf bestätigte die Wirksamkeit.
Bild: Bonito Thielert/Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF

Quarantäneschaderreger stellen für die europäische Landwirtschaft und dabei besonders für den Obst- und Weinbau eine bedeutende Herausforderung dar. Denn die Schaderreger selbst und die übertragenden Insekten sind oftmals nur schwer bekämpfbar. Alle Maßnahmen zielen darauf ab, das Einwandern und die Verbreitung frühzeitig zu unterbinden. Dafür müssen erkrankte Pflanzen mittels effizienter Monitoringverfahren schnell und einwandfrei identifiziert werden.

Dr. Wolfgang Jarausch von der RLP AgroScience GmbH und Bonito Thielert vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF liefern detaillierte Einblicke in die Funktionsweise des PhenoTruck®.

Um welche Schaderreger geht es?

Phytoplasmen sind zellwandlose Bakterien, die in den Gefäßsträngen der Pflanzen leben und durch saugende Insekten übertragen werden. Sie rufen bedeutende Krankheiten im Obst- und Weinbau hervor. Wegen ihres großen Schadpotentials sind sie europaweit als sogenannte Quarantäne- oder Qualitätsschaderreger eingestuft. Ein weiterer Nachteil: Es ist nicht möglich Phytoplasmen direkt zu bekämpfen. Um eine Ausbreitung der Krankheiten zu verhindern, müssen befallene Pflanzen gerodet und die übertragenden Insekten mit Insektiziden bekämpft werden. Eine schnelle Erkennung befallener Pflanzen ist daher essenziell.

Auftretende Schäden

In Obstkulturen führen Phytoplasmen zu großen Schäden durch nicht vermarktungsfähige Früchte oder Absterben befallener Bäume. So kommt es beim Apfel zur Apfeltriebsucht, bei der Birne zum Birnenverfall und im Steinobst, wie beispielsweise der Aprikose, zur Europäischen Steinobstvergilbung.

Im Weinbau ist die Ausbreitung der Flavescence dorée (FD) nach Deutschland gefürchtet. Der Insektenüberträger, die Amerikanische Rebzikade Scaphoideus titanus, ist bereits in Südbaden angekommen. Sie kann zu einer explosionsartigen Ausbreitung der Quarantänekrankheit führen. Befallene Rebstöcke zeigen vertrocknete Beeren und gehen ein. Es ist schwierig aber notwendig, einen FD-Befall klar von anderen Rebphytoplasmosen, die sich nicht epidemisch ausbreiten, abzugrenzen. FD verursacht vergleichbare Symptome wie die Schwarzholzkrankheit (Bois noir, BN) und die Vergilbungskrankheit Palatinate Grapevine Yellows (PGY). 

Die Drohne verfügt über eine integrierte Kamera mit zusätzlichen Kanälen im Infrarotbereich.
Bild: Bonito Thielert/Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF

Dreistufige Funktionsweise von PhenoTruck® 

Das Hauptziel von PhenoTruck® lautet: Das mobile Labor bringt dem Produzenten Klarheit direkt vor Ort. Im Fall eines tatsächlichen Krankheitsbefalls ermöglicht es so ein schnelleres Eingreifen. Potenziell große Schäden können damit vermieden werden. Ist der PhenoTruck® im Weinberg oder der Obstplantage angekommen, erfolgen drei aufeinanderfolgende Schritte hin zu einer finalen Diagnosestellung:

  1. Multispektraler Drohnenüberflug: Zunächst wird die Anlage großflächig überflogen und mögliche Verdachtsregionen genau eingegrenzt. Eine BoniturApp erlaubt das digitale Erfassen und das Georeferenzieren einzelner symptomatischer Pflanzen für die Probenahme.

2. Vorselektion im hyperspektralen Labor: In den Verdachtsregionen genommene Pflanzenproben werden vor Ort spektral analysiert und auf Schaderreger vorselektiert.

3. Molekularbiologische Analyse: In den vorselektierten Blattproben werden die Quarantäneschaderreger mittels Schnelltests – beruhend auf isothermaler Amplifikation (LAMP) oder Polymerase Chain Reaction (PCR) – identifiziert.

Wie lassen sich Phytoplasmosen überhaupt spektral erkennen?

Ein Phytoplasmabefall führt zu einem Chlorophyll-Abbau in den Blättern: Bei Apfel und Birne tritt eine vorzeitige Rotfärbung im Herbst auf, bei Aprikose eine charakteristische Blattchlorose und bei weißen Rebsorten eine typische goldgelbe Verfärbung. Rote Rebsorten hingegen verfärben sich rot am Ende des Sommers. Diese physiologischen Veränderungen in den befallenen Pflanzen begünstigen eine multispektrale Fernerkennung mittels Drohnen. Für eine spezifischere Diagnose – insbesondere die Unterscheidung der verschiedenen Rebphytoplasmosen – erfolgt die hyperspektrale Analyse im mobilen Labor.

Exkurs für technisch Interessierte

Multispektraler Drohnenüberflug – was bedeutet das genau?

Beim Überflug kommt eine Drohne zum Einsatz, die über eine integrierte Kamera mit zusätzlichen Kanälen im Infrarotbereich verfügt. Diese erlauben eine erweiterte Vegetationsbewertung. Die Daten werden zentimetergenau georeferenziert und die einzelnen Drohnenbilder zu einem gesamten Orthofoto zusammengesetzt. Die Bewertung der Pflanzen erfolgt über sortenspezifische Indizes. Abschließend werden die Ergebnisse als Übersichtskarten bereitgestellt. Auf diese Weise kann die Fläche bewertet und Verdachtsregionen für Probenahmen genau eingegrenzt werden.

Hyperspektrale Laborauswertung – was bedeutet das genau? 

Hyperspektrale Kameras nehmen die Blattproben vom sichtbaren bis in den kurzwelligen Infrarotbereich auf. Die charakteristischen Spektren der Blätter werden mit den Referenzwerten, die aus visuellen Bonituren und aus molekularbiologischen Daten stammen, verknüpft. Anschließend werden Modelle trainiert, die diese Verknüpfung bestmöglich abbilden. Im Ergebnis entstehen zuverlässige Modelle, mit denen sich der Krankheitszustand der Pflanzen automatisiert anhand der Spektren bewerten lässt. Mittels Methoden des Transfer Learning können die Vorhersagemodelle auf neue zu analysierende Anbauflächen kalibriert werden. Das Fraunhofer IFF entwickelte ein Erkennungssystem, das hyperspektrale Messtechnik mit speziell angepasster KI zur Datenauswertung kombiniert, um sogenannte Softsensoren zu erstellen.

Molekularbiologische Analyse – was bedeutet das genau?

Die molekularbiologische Analyse erlaubt die Identifizierung der Pathogene, welche die Pflanzenkrankheiten auslösen. Hierzu werden aus Blattstielen die Nukleinsäuren extrahiert. Die molekulare Identifikation der Quarantäneschaderreger erfolgt durch den Nachweis spezifischer Genmarker in einem Schnelltest, der auf isothermaler Amplifikation (LAMP) beruht. Hierfür verwendet wurden von der RLP AgroScience Protokolle nach Richtlinien der Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO). Diese mussten für die Probenaufarbeitung für das mobile Labor im PhenoTruck® optimiert werden. Die Durchführung weitergehender PCR-Verfahren im PhenoTruck® ist möglich.

Um den Krankeitszustand der Pflanzen zu ermitteln, nimmt eine hyperspektrale Kamera Blattproben vom sichtbaren bis in den kurzwelligen Infrarotbereich auf.
Bild: Referat 326/BLE

Ausstattung des PhenoTruck®

Neben einer Schleuse stehen zwei Labore für die hyperspektralen und molekularbiologischen Messungen bereit. Die Schleuse dient zur Probenvorbereitung für das molekularbiologische Labor. Zudem verhindert sie den direkten Zugang von außen und beugt somit Verunreinigungen vor. Die Labore werden durch den Fahrzeugmotor mit Strom versorgt, sind klimatisiert und bedarfsgerecht ausgestattet. Ein Außenzelt erlaubt eine geordnete Probenaufbereitung. Zusätzlich zur Ausrüstung im Truck stellt das Fraunhofer IFF die passende Drohne sowie Kamera für das hyperspektralen Labor zur Verfügung.

Zusammenfassung und Ausblick

Der PhenoTruck® ist ein vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT entwickeltes, innovatives, mobiles Labor, das modernste Technologien und KI kombiniert, um der landwirtschaftlichen Praxis effektive Lösungen für drängende Pflanzenschutzprobleme anzubieten. Die präzise und schnelle Diagnose bietet die Chance für ressourcenschonendere Maßnahmen und kann zur Ertragssicherheit beitragen. Der PhenoTruck® wurde im Sommer 2025 in einem Feldeinsatz in Rheinland-Pfalz auf seine Funktionalitäten geprüft. Ergebnis: Der Testlauf bestätigte die Wirksamkeit. Die hyperspektralen und molekularen Messverfahren für Obst- und Rebphytoplasmosen sind für ihren Einsatz im PhenoTruck® geeignet.

Aktuell bereiten die Projektpartner die Nutzung des PhenoTruck® für weitere Einsätze vor. Hierfür werden die nötigen Rahmenbedingungen geprüft: Fragen zur Überführung des PhenoTruck® vom Versuchsbetrieb in die praktische Anwendung, zu geeigneten Nutzungsmodellen und zur Erstbenutzung der Technik stehen dabei im Mittelpunkt. Sobald diese Details geklärt sind, finden Sie Informationen dazu an dieser Stelle im Fachartikel.

Hintergrundinformationen zum Projekt

Projekttitel

„PhenoTruckAI – Mobiles Labor zur schnellen und sicheren Identifizierung von Quarantäneschaderregern in der Landwirtschaft“

Projektlaufzeit

September 2021 bis September 2025

Projekt- und Kooperationspartner

  • RLP AgroScience (Projektkoordination)
  • Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT
  • Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF

Projektförderung

Die Förderung des Vorhabens erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des BMLEH. Die Projektträgerschaft wird gesteuert im BLE-Referat Digitalisierung, Künstliche Intelligenz in der Land- und Ernährungswirtschaft (Referat 326).


Letzte Aktualisierung 24. Oktober 2025

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