Wetterextreme: Hilfe für Stadtbäume Gartenbau

Vor allem dauerhafte Hitze und Trockenheit setzen vielen Stadtbäumen zu. Wie kann man ihnen helfen? Und wie sieht der Stadtbaum der Zukunft aus?

Anhaltende Hitze und Trockenheit machen Bäume anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. In der Folge müssen verstärkt Totholz entfernt und Bäume gefällt werden. Quelle: Animaflora PicsStock-adobe.stock.com

Nicht jede Trockenphase, nicht jedes Unwetter muss eine Folge des Klimawandels sein. Dass extreme Wetterlagen in den kommenden Jahren weiter zunehmen werden, gilt hingegen als wissenschaftlich gesichert. Darunter leiden unter anderem die Pflanzen, die selbst einen erheblichen Einfluss auf das Klima haben: Bäume. Sie binden nicht nur enorme Mengen Kohlenstoff, sondern beeinflussen auch das Stadtklima positiv, indem sie Schadstoffe binden, Sauerstoff produzieren und als Schattenspender dem Aufheizen entgegenwirken.

Vielen häufig gepflanzten heimischen Arten machen schon die derzeitigen Klimaveränderungen arg zu schaffen. Insbesondere das Stadtgrün steht daher am Beginn eines gewaltigen Umbruchs. Dr. Susanne Böll leitet an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau das Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021 - Neue Bäume braucht das Land". Im Interview berichtet sie von der Suche nach den Stadtklimabäumen der Zukunft – und davon, wie Entscheider, Planer und Ausführende von Baumpflanzungen Gehölzen das Leben erleichtern können.

Gefühlt werden 2019 so viele Bäume gefällt wie selten zuvor. Sind das alles die Auswirkungen des Trockenjahres 2018?

Dr. Susanne Böll: Es kommen mehrere Faktoren zusammen, aber die andauernde Wärme und Trockenheit dürfte in den meisten Fällen der ausschlaggebende Faktor gewesen sein. Weil viele Bäume dadurch schon sehr geschwächt waren, verlieren wir nun deutlich mehr Bäume durch – teils auch neu eingeschleppte – Krankheiten und Schädlinge sowie durch Stürme. Das würde allerdings nicht so auffallen, wenn wir eine bessere Risikostreuung hätten.

Was genau meinen Sie mit Risikostreuung?

Dr. Susanne Böll: Eine deutlich größere Artenvielfalt. In den meisten deutschen Städten sind es um die acht Baumarten, die das Straßenbild bestimmen. Wenn diese Arten versagen, müssen plötzlich ganze Alleen gefällt werden. Berg- und Spitz-Ahorn sowie Sommer-Linde beispielsweise vertragen schon die hohen Streusalzeinträge nicht, kommt dann noch anhaltende Trockenheit hinzu, geraten sie massiv unter Druck. Eschen gehen zuhauf am Eschentriebsterben zugrunde. Kastanien werden nach wie vor von der Miniermotte und verschiedenen Bakterien- und Pilzkrankheiten heimgesucht und bei Platanen steigt durch Massaria die Bruchgefahr sprunghaft an. Die Stadt Köln hat allein für die Kontrolle und Beseitigung von Massaria-Schäden in einem Jahr 500.000 Euro ausgeben müssen.

Was wir brauchen, sind stadtklimafeste Baumarten, die den sich ändernden Ansprüchen besser gerecht werden, und eine deutlich buntere Durchmischung im Stadtbild, weg von den Mono-Alleen.

Stadtbaum – kein leichter Job

Darunter leiden viele Bäume in der Stadt:

  • zu kleine Pflanzgruben
  • Bodenverdichtung
  • fehlender/nicht fachgerechter Schnitt
  • Einzelstellung, dadurch der prallen Sonne ausgesetzt
  • Bodenversiegelung
  • Streusalzeinträge
  • Abgase
  • Hitze und Trockenheit
  • Schädlinge und Krankheiten
"Ulmus Lobel" ist ein ebenso attraktiver wie robuster Baum – frosthart, sehr windfest und resistent gegen das Ulmensterben. Quelle: LWG Veitshöchheim, Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau

Welche Arten könnten das sein?

Dr. Susanne Böll: Unter den von uns untersuchten 30 Baumarten sind einige nordamerikanische und asiatische Arten wie der Amerikanische Amberbaum (Liquidambar styraciflua) oder die Kobushi-Magnolie (Magnolia kobus). Vorwiegend handelt es sich aber um Arten, die in Südosteuropa heimisch und mit unseren bekannten Stadtbäumen oft eng verwandt sind. Als empfehlenswert haben sich zum Beispiel die Zerr-Eiche (Quercus cerris) und die Silber-Linde (Tilia tomentosa) erwiesen, die Blumen-Esche (Fraxinus ornus), die Purpur-Erle (Alnus x spaethii) und eine Reihe weiterer Arten.

Was machen hitze- und trockenheitsverträgliche Bäume eigentlich anders?

Dr. Susanne Böll: Da gibt es ganz unterschiedliche Strategien. Die Silber-Linde beispielsweise dreht bei starker Sonneneinstrahlung ihre silbrige Blattunterseite nach oben und reflektiert dadurch einen Teil der Strahlung. Andere Arten wie die Hopfenbuche können ihre Temperatur aktiv regulieren, wenn sie einen kritischen Wert erreicht hat. Wie genau das funktioniert, haben wir noch nicht herausgefunden, aber den Prozess selbst haben wir bereits belegen können, indem wir mehrere Bäume aufwändig verkabelt und Temperaturmessungen durchgeführt haben, unter anderem an den Blättern, auf der Rinde und im oberen Wurzelbereich.

Eine Untersuchung an der TU Dresden wiederum deutet darauf hin, dass Bäume, die bereits unter Trockenstress aufwachsen, diesbezüglich auch widerstandsfähiger sind. Allerdings entwickeln sie sich dann natürlich auch entsprechend langsamer, und längere Standzeiten in der Baumschule schlagen sich im Preis nieder.

Steigt denn die Bereitschaft, in langfristig stabile Bestände zu investieren?

Dr. Susanne Böll: Es tut sich was, das merken wir unter anderem daran, dass Vorträge zum Thema Klimabäume immer stärker nachgefragt werden. Wie die Erkenntnisse umgesetzt werden, hängt aber natürlich ganz stark von der einzelnen Kommune ab.

Manchmal überzeugen schon einfache Rechenbeispiele. Bei Bäumen muss man ja die Lebenszyklus-Kosten betrachten und unterm Strich ist es günstiger, durch ausreichend große Pflanzgruben und einen regelmäßigen Erziehungsschnitt in vitale, langlebige Bäume zu investieren, Spätere Schadensbegrenzungen und Neupflanzungen sind deutlich teurer.

In einer Kommune, in der wir für unsere Forschungsprojekte Bäume gepflanzt haben, wurden wir vom Stadtrat darauf angesprochen, weshalb unsere Bäume sich eigentlich so viel besser entwickeln und wir viel weniger Ausfälle haben. In der Folge hat die Stadt die Vorgaben für ihre Pflanzgruben überarbeitet.

Das stellen wir im Rahmen unserer Forschungsprojekte ohnehin immer wieder fest: Anschauliche Modellprojekte bewirken extrem viel, sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Entscheidern. Mit einer Klimabaumallee mit Sitzmöglichkeiten und Info-Tafeln beispielsweise können die Bürgerinnen und Bürger zunächst grundsätzlich für das Thema sensibilisiert werden. Entsprechend leichter lassen sich dann Folgeprojekte vermitteln.

Nicht zuletzt appellieren wir an die Kommunen, das 2017 erschiene "Weißbuch Stadtgrün" zu nutzen, das viele konkrete Handlungsempfehlungen enthält und Möglichkeiten aufzeigt, wie sie sich umsetzen lassen. Die Mittel dazu können beispielsweise aus dem Städtebauförderprogramm "Zukunft Stadtgrün" kommen, das – wie in den vergangenen beiden Jahren – auch 2019 wieder mit 50 Millionen Euro ausgestattet wurde.

Stadtklimabäume – die Helden von morgen

Die Suche nach Stadtklimabäumen läuft auf Hochtouren. Lehr- und Versuchsanstalten beteiligen sich ebenso daran wie Universitäten und die Gartenamtsleiterkonferenz (GALK).

Dr. Susanne Böll und Dr. Philipp Schönfeld von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) haben elf Empfehlungslisten inklusive ihrer eigenen Versuchsergebnisse auf Mehrfachnennungen hin unter die Lupe genommen. Daraus resultiert die folgendeTabelle mit 43 empfehlenswerten Baumarten und -sorten.

Wenn schon Neupflanzung, dann richtig: Was erleichtert Gehölzen das Leben in der Stadt?

Dr. Susanne Böll: Das Stichwort Pflanzgrube habe ich schon erwähnt. Im Regelwerk der FLL, der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau, sind 1,5 m Tiefe und 12 Kubikmeter Volumen vermerkt, das ist das absolute Minimum. Wo das nicht gegeben ist, kann man einen Strauch pflanzen, aber bitte keinen Baum! Mehr Platz ist natürlich immer besser – in München hat man sich stolze 36 Kubikmeter auf die Fahnen geschrieben.

Noch besser als mehrere einzelne Pflanzgruben wäre ein Pflanzstreifen für mehrere Bäume. Darin können die Wurzeln seitlich weiterwachsen und die Bäume beschatten sich zumindest ein wenig gegenseitig – so wie es in der Natur üblich ist, Einzelbäume sind da die Ausnahme.

Ein weiterer Punkt ist der Boden beziehungsweise das Substrat. Im Park findet man in der Regel gewachsenen Boden vor, aber wenn wir in der Stadt eine Grube ausheben, stoßen wir in erster Linie auf Schutt aus der Nachkriegszeit. Hier wäre ein Baumsubstrat das richtige. Es darf nicht zusammensacken, also nicht zu viel organisches Material enthalten, muss gut durchlüftet sein und eine hohe Wasserspeicherkapazität haben. Belüftungsschläuche sind passé, die wurden vor 15 Jahren noch empfohlen, aber davon ist man völlig abgekommen, das muss das Substrat allein leisten können.

Auch hierzu gibt es bereits ausreichend Richtlinien, etwa von der FLL, genau wie zum fachgerechten Pflanz- und Erziehungsschnitt. Aber Richtlinien nützen nichts, wenn diese Punkte nicht in die Ausschreibungen aufgenommen werden und niemand die Umsetzung kontrolliert. Das ist bislang in vielen Kommunen ein riesiges Problem, genau wie der Zwang, bei Ausschreibungen den günstigsten Anbieter zu wählen. Wer Qualität anbieten oder einkaufen will, muss bestrebt sein, dass Ausschreibungen möglichst detailliert gehalten werden, das gilt für alle, Entscheider, Planer und Ausführende.

Wie lassen sich die Missstände beheben?

Dr. Susanne Böll: Es deutet sich allmählich eine Kehrtwende an. Auf den Deutschen Baumpflegetagen in Augsburg sind zum Beispiel auch immer mehr Planer vertreten, was früher die absolute Ausnahme war. Das lässt hoffen, dass Bäume mittelfristig nicht mehr nur nach dem perfekten Habitus ausgewählt werden und sich auch die planerisch vorgegebenen Standortbedingungen verbessern.

Auch in den Kommunen erfahren Bäume mittlerweile eine höhere Wertschätzung. Früher galt meist die Devise "Grau vor Grün", das ändert sich mancherorts schon. Mittelfristig muss beides mindestens den gleichen Stellenwert erhalten. Das bedeutet unter anderem mehr und gut ausgebildetes Personal – gerade wenn wie derzeit in vielen Städten ganze Stadtteile neu entstehen. Nur mit genügend Personal können Ausschreibungen zielgerichtet abgefasst und die Qualität der ausgeführten Arbeiten überprüft werden.

Das kann aber zum Beispiel auch bedeuten, Zuständigkeiten neu zu regeln: Es löst viele Probleme, wenn Baumpflanzungen nicht mehr, wie oft üblich, beim Tiefbauamt angesiedelt sind, sondern wieder beim Grünflächenamt. Wenn das nicht geht, muss zumindest die Kommunikation zwischen den Bereichen verbessert werden, dann finden sich auch neue Denkansätze.

In Stockholm etwa gibt es keine Konkurrenz zwischen Kabelschächten und Wurzelraum, weil Kabel meist in der Mitte der Fahrbahn verlegt werden. Auch über das Prinzip einer Schwammstadt wird in vielen Städte schon diskutiert. Dabei würden innerstädtisch gezielt grüne Retentionsflächen geschaffen – also meist etwas tiefer liegende Ausweichflächen, auf denen sich das Wasser zum Beispiel bei Starkregen sammeln kann. Die wiederum könnten an Alleen angeschlossen werden und dort die Wasserspeicher nachhaltig füllen, während Starkregen sonst kaum bis in die unteren Bodenschichten eindringt.

Wie kann man die Bedingungen für bestehende Pflanzungen verbessern?

Dr. Susanne Böll: Zum einen auch hier durch mehr Kontrolle und gut ausgebildetes Personal beziehungsweise zuverlässige Firmen mit ebenso zuverlässigen Subunternehmern. Oft geht es ja um ganz simple Sachen, zum Beispiel wie jemand beim Bewässern den Schlauch hält: Wird tatsächlich die Baumscheibe gewässert, oder fließt es quasi direkt in den Rinnstein?

Jungbäume benötigen einen Stammschutz, wenn sie in Einzelstellung der prallen Sonne ausgesetzt sind. Das gilt auch für alle Baumarten, die keine Borke bilden, sondern dauerhaft eine glatte Rinde besitzen. Ohne Stammschutz kann der Unterschied von der Süd- zur Nordseite bis zu 15 Grad Celsius betragen. Das verursacht Spannung und kann zu Rissen führen, durch die wiederum Krankheitserreger leichter eindringen können. Geeignet sind Tonkinmatten oder ein Weißanstrich.

Bei Tiefbaumaßnahmen müssen Bäume einen entsprechenden Wurzelschutz erhalten und Bodenverdichtungen vermieden werden.

Verdichtungen sind generell unbedingt zu vermeiden. Dabei hilft zum Beispiel eine Unterpflanzung oder die Baumscheibe wird mit geeigneten Schutzsystemen abgedeckt, damit sich einwirkende Punktlasten verteilen.

Selbst wenn sich bereits erste Schadysmptome zeigen, kann man oft noch viel bewirken, etwa indem man Flächen entsiegelt und eine Bodensanierung durchführt. Mithilfe von Druckluftlanzen lassen sich Sauerstoff und Dünger in den Boden einbringen. Mykorrhiza-Präparate kann man sich sparen – in einem Versuch mit 20 Baumarten haben wir keine statistisch gesicherten Effekte feststellen können. Hilfsstoffe, die für eine bessere Belüftung sorgen, oder Wasserspeichergranulate können hingegen durchaus sinnvoll sein.