Hier beginnt der Hauptinhalt dieser Seite

Alternative Proteine aus heimischen Hülsenfrüchten für die Humanernährung Kulturpflanzenvielfalt und Fruchtfolge

Die steigende Nachfrage nach alternativen Proteinquellen und pflanzenbetonter Ernährung prägt die Veränderungen im deutschen Lebensmittelmarkt. Erfahren Sie, wie Ackerbohnen und Lupinen als nachhaltige und nährstoffreiche Proteinquellen an Bedeutung gewinnen.

Zu den heimischen großkörnigen Hülsenfrüchten zählt unter anderem die Sojabohne. Diese wird durch kontinuierliche züchterische Bearbeitung an hiesige Klimate angepasst.
Bild: getty images/SherSor

Global gesehen stellen alternative Proteinquellen und eine pflanzenbetonte Ernährungsweise eine wichtige Möglichkeit dar, die stetig wachsende Weltbevölkerung nachhaltig und nährstoffreich zu versorgen. Die Auseinandersetzung mit drängenden Themen wie Zukunftsfähigkeit, Klimawandel, Tierwohl, Biodiversität, zunehmendes Gesundheitsbewusstsein oder Lebensmittelunverträglichkeiten führt gerade in den jüngeren Generationen unserer Gesellschaft zu veränderten Ernährungsweisen.

Laut BLE ernährten sich 2021 rund 10 % der deutschen Bevölkerung vegetarisch und rund 2 % vegan. 31 % der Deutschen bezeichnen sich als Flexitarier. Sie ernähren sich überwiegend pflanzenbetont und konsumieren nur bei besonderen Anlässen Fleischprodukte. Mit den Veränderungen der Verzehrgewohnheiten steigt auch die Nachfrage nach alternativen Proteinquellen. Sie weisen ein erhebliches Marktpotenzial auf.

Der deutsche Markt für pflanzenbasierte Lebensmittel ist in der Zeitspanne von 2020 bis 2022 um 42 % gewachsen (GFI 2022). Aktuell nehmen in Deutschland besonders Milch- und Fleischalternativen den größten Marktanteil im Bereich alternativer Proteine ein.

Umsatz mit pflanzlichen Lebensmitteln bei Milch- und Fleischalternativen in Deutschland (in Mio. Euro)
Bild: GFI Europe

Einen besonderen Stellenwert bei der pflanzenbasierten Ernährung nehmen die Hülsenfrüchte beziehungsweise Leguminosen ein. Sie dienen seit vielen Jahrhunderten als ein wichtiges Grundnahrungsmittel und sind schon von Natur aus mit einem hohen Proteingehalt im Samenkorn ausgestattet.

Den Proteingehalt von rohem Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch überbieten sie zum Teil deutlich. Zusätzlich liefern sie reichlich Ballast- sowie Mineralstoffe und Vitamine. Zudem wird der Verzehr von Hülsenfrüchten unter anderem mit einem geringeren Risiko für kardio-vaskuläre Erkrankungen und koronare Herzerkrankungen sowie Diabetes mellitus in Verbindung gebracht.

Produkte aus Leguminosen stellen eine Alternative zu Weizen- und Milchprodukten dar, die bei einigen Menschen Allergien und Unverträglichkeiten auslösen können. Als weiteres Plus eignen sich Hülsenfrüchte besonders für die technologische Verarbeitung und Gewinnung von Pflanzenproteinen für die Lebensmittelherstellung. Sie können in Deutschland angebaut werden!

Heimische Hülsenfrüchte als Quelle pflanzlicher Proteine

Inhaltsstoffgehalte von Hülsenfrüchten

Zu den heimischen großkörnigen Hülsenfrüchten zählen Ackerbohne, Körnererbse, Blaue und Weiße Süßlupine und Sojabohne. Diese werden in Deutschland überwiegend für den Fütterungsbereich angebaut. Nur ca. 5 – 7,5 % der Ackerbohnen und Lupinen, gut 10 % der Sojabohnen und 25 % der Körnererbsen finden den Weg in die menschliche Ernährung (BZL 2024). Die als Nischenkulturen anzusehenden Linsen, Kichererbsen, Platterbsen sowie diverse Trockenbohnenarten wie Weiße, Schwarze, Borlotti-, Kidneybohnen werden in kleinem Umfang ausschließlich für den menschlichen Verzehr angebaut. Unverarbeitet bis gering verarbeitet bereichern sie den Speiseplan der Verbraucher.

Durch ihre unterschiedlichen Standortansprüche können Hülsenfrüchte nahezu in jeder Region Deutschlands angebaut werden. Ackerbohnen bevorzugen mittelschwere, tiefgründige, nährstoffreiche Böden mit gutem Wasserhaltevermögen, während Erbsen auch auf leichten bis mittelschweren, gut erwärmbaren Böden mit ausgeglichener Wasserführung kultiviert werden können. Die Weiße Süßlupine kann auf flach- bis tiefgründigen Böden, die trockentolerantere Blaue Lupine auch auf leichten Sandböden angebaut werden. Die wärmeliebende Sojabohne bevorzugt mildes Klima bei ausreichender Wasserversorgung.

Verarbeitungs- und Verwendungsmöglichkeiten

Der Weg der Hülsenfrüchte in die menschliche Ernährung ist sehr vielgestaltig. Traditionell können Hülsenfrüchte unverarbeitet bis gering verarbeitet direkt in der Herstellung nährstoffreicher Speisen und Backwaren verwendet werden. Der Markt bietet ungeschälte/geschälte Samen, Schrot oder auch Vollmehle an. Durch den geringen Verarbeitungsgrad enthalten die Hülsenfrüchte noch alle beziehungsweise die meisten wertgebenden Inhaltsstoffe. Auch das Angebot an wenig verarbeiteten Produkten auf Basis von Hülsenfrüchten wie Pasta, Tofu, Tempeh, Aufstrichen und Fertigmischungen für Bratlinge, Falafel und vieles mehr ist im Lebensmittelbereich reichhaltig.

Verwendung von nicht bis gering verarbeiteten Hülsenfrüchten
Bild: Zerhusen-Blecher

Für höher verarbeitete Lebensmittel wie zum Beispiel Fleisch-, Milch-, Ei- und Fischalternativen sind zwar ebenfalls die Saaten der Leguminosen der Ausgangsrohstoff, doch durch unterschiedliche, mehr oder weniger aufwändige, Technologieverfahren wird dafür das Protein aus den Hülsenfrüchten herausgelöst. Je nach Einsatz- und Anwendungsbereich werden proteinangereicherte Mehle, Proteinkonzentrate oder -isolate aus Leguminosen mit verschiedenen technofunktionellen und sensorischen Eigenschaften und Proteinkonzentrationen gewonnen. Sowohl die Proteinfraktionen als auch die parallel anfallenden Stärke- und Faserfraktionen fließen in mehrere Weiterverarbeitungslinien ein. Dabei können sie entweder der entsprechenden Rezeptur beigefügt oder weiter technisch aufbereitet werden.

Vereinfachte Darstellung der Verarbeitungsschritte bei der Herstellung von proteinreichen Mehlen, Konzentraten und Isolaten
Bild: verändert nach Etzbach & Weisz (2024)

Verschiedene Herstellungsverfahren

Auf der Basis von Proteinmehlen, -konzentraten und –isolaten sowie von Stärkemehlen können zum Beispiel über verschiedene Extrusionsverfahren unterschiedlichste Produkte hergestellt werden. Extrusion ist ein thermo-mechanischer Veredelungsprozess, bei dem unter Anwendung von Druck und Temperatur und gegebenenfalls Wasser der zu extrudierende Rohstoff durch eine vorher definierte Öffnung gepresst wird.

Typische Beispiele für die Trockenextrusion sind Cerealien, Teigwaren, Snackprodukte und Fleischanaloga wie zum Beispiel Hackfleischersatz, Geschnetzeltes, Burger oder Nuggets. Diese trockenen Extrudate sind ohne Kühlung sehr lange haltbar. Durch einfache Wasserzugabe und kurzer Quellzeit können sie angebraten und zu beliebten Gerichten als Fleischersatz beigefügt werden.
Die durch die Nassextrusion erzeugten muskelfleischähnlichen Produkte mit langfaseriger und bissfester Textur kommen dagegen als Frischeprodukt mit befristeter Haltbarkeit in den Handel. Daher sind pflanzenbasierte Steaks, Hähnchen, Nuggets unter anderem in den Kühlregalen der Lebensmittelgeschäfte zu finden.

Die Fermentation bietet ein großes Potenzial für die Herstellung neuer pflanzenbasierter Lebensmittel auf Grundlage von Leguminosen. Die Umwandlung organischer Stoffe durch Mikroorganismen oder Enzyme kann die nutritiven Eigenschaften und die Verträglichkeit von Hülsenfrüchten verbessern, während antinutritive Inhaltsstoffe reduziert sowie sensorische und texturbezogene Parameter optimiert werden.

Typische Produkte der Fermentation sind zum Beispiel Joghurt- und Käse- sowie Fisch-, und Fleischalternativen, Tempeh, Miso.
Die Fermentation bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Erzeugung alternativer Proteinquellen, die im Vergleich zur maschinellen Extraktion von Proteinen relativ niedrig verarbeitet sind. Ihr wird eine hohe Bedeutung zur Deckung des Proteinbedarfs der globalen Bevölkerung zugesprochen.

Vermarktungsmöglichkeiten und Absatzmärkte

In den zurückliegenden Jahren haben sich im deutschen Markt verschiedene innovative, kleine bis große, regional bis überregional agierende Marktpartner im Bereich der Lebensmittelverarbeitung für Hülsenfrüchte etabliert.

Die genannten Marktpartner stellen einen Ausschnitt des Marktes dar und es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

GMO-, Allergenfreiheit, Proteingehalt und –qualität, eine nahezu hundertprozentige Verwertbarkeit, der Preis, die Verfügbarkeit und das Image waren und sind wichtige Aspekte der Emsland Group für die Wahl und erfolgreiche Verarbeitung der gelben Palerbse. Schon seit 2012 verarbeitet das Unternehmen die gelbe Palerbse, die überwiegend aus deutschen Anbau stammt, zu Erbsenstärke, Erbsenproteinisolat und Erbsenfaser. Das auf vegane Produkte spezialisierte Unternehmen endori food GmbH & Co. KG, eine Tochter der Pfeiffer&Langen GmbH & Co. KG, verarbeitet dieses Erbsenproteinisolat aus regionalem Vertragsanbau in ihren Fleischersatzprodukten zu Burgern, Nuggets oder Hack. Auch die Nordzucker AG setzt bei der Gewinnung pflanzenbasierter Proteine (Konzentrat, Texturat) insbesondere auf die gelbe Palerbse aus regionalem Anbau.

Die Firma Fava-Trading GmbH & Co. KG als Zweigniederlassung der Raisa eG hat sich auf die heimische Ackerbohne überwiegend aus dem Vertragsanbau spezialisiert. Die Roland Beans GmbH übernimmt die weitere Verarbeitung und den Vertrieb der erzeugten Mehle und Schrote in den Lebensmittelsektor zum Beispiel für Backwaren, Panaden, Fleischwaren, Extrudate oder Pasta. Neu im Geschäft ist die Südzucker AG, die ab Herbst 2024 aus Ackerbohnen mithilfe eines Trockenextraktionsprozesses ein Proteinkonzentrat mit 60 % Proteingehalt sowie ein stärkereiches Mehl gewinnen möchte. Die Suche nach Vertragslandwirten läuft derweil.

Mit Übernahme der in Grimmen ansässigen Firma ProLupin GmbH durch die australische Firma Wide Open Agriculture (WOA) wird sich die deutsche Niederlassung auf eine B2B-Strategie zur Belieferung von Unternehmen aus der Zutaten- und Lebensmittelindustrie konzentrieren. Weiterhin setzt die Firma auf heimische Lupinen aus Vertragsanbau, aber auch auf australische Ware.

Die in Süddeutschland ansässige Taifun Tofu GmbH hat sich auf die Herstellung von Tofu-Produkten aus Soja aus Bioanbau spezialisiert. Im münsterländischen Everswinkel wirbt die VEPRONA GmbH für regionalen Vertrags-Sojaanbau für die Lebensmittelverarbeitung. Die Berief Food GmbH aus Beckum stellt Tofu, pflanzliche Drinks, Ghurts und Kochcremes aus möglichst heimischem Bio-Soja, -Hafer und auch -Erbse her.

Direktvermarktung und kleinere Unternehmen

Abseits dieser Hauptakteure im Lebensmittelbereich sind sehr viele regionale kleinere Unternehmen, Startups, Vereine oder Erzeugergemeinschaften damit beschäftigt, regionale Hülsenfrüchte, unverarbeitet bis hin zu weiterverarbeiteten Produkten wie Pasta, Brot, Kaffee, Aufstriche, Burger, Snacks, vorgekochte Hülsenfrüchte zu vermarkten. Diese werden über Online-Plattformen, Direktvermarktung, regionale Lebensmittelhändler, zum Teil auch über den Lebensmittel-Großhandel oder über die Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung angeboten.

Für die Vermarktung der Hülsenfrüchte in den Lebensmittelbereich, besonders im Bereich Direktvermarktung, ist die Einhaltung hoher Qualitätsstandards für Speiseware sehr wichtig. Die Reinigung und Aufbereitung der Ernteware kann bei Bedarf über zum Beispiel Lohndienstleister entsprechend erledigt werden. Bei einer betriebsinternen Weiterverarbeitung und Direktvermarktung sind die Vorgaben des Lebensmittelrechtes einzuhalten und Hygienekonzepte wie HACCP zwingend erforderlich. Produkthaftpflichtversicherungen sind empfehlenswert.

Bereits vor dem Anbau sollte die Verwendung und Vermarktung der Hülsenfrucht geplant und mit weiterverarbeitenden Gliedern der Wertschöpfungskette Gespräche geführt werden. So können im Vorfeld die Qualitätsanforderungen und Sortenfragen geklärt sowie Abnahmemenge und Preis ausgehandelt werden. Anbauverträge bieten verlässliche Rahmenbedingungen über den Zeitraum von mindestens einem Wirtschaftsjahr. Sie können ein gutes Vermarktungsmodell für die erzeugten Hülsenfrüchte darstellen. Beratungen zur Direktvermarktung werden von den zuständigen Landwirtschaftskammern und Landesanstalten angeboten.

Letzte Aktualisierung: 25.09.2024

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Informationsangebote