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Weidetiere im Porträt: Rinder Weidetiere und Wolf

Rinder sind vieles: Milchkühe, Fleischlieferanten, Grünlandnutzer. In Weidehaltung tragen sie zum Erhalt von wertvollem Grünland bei. Wie kann Weidehaltung von Rindern gelingen und was gibt es dabei zu beachten?

Rind ist nicht gleich Rind – ein Überblick

Alle Rinder sind Herdentiere, gehören zur Familie der Bovidae und sind Wiederkäuer. Dabei meint Oberbegriff Rind vieles: Rinder sind Milchkühe und Mutterkühe, Ochsen und Bullen, Kälber und Färsen.

Das Verhalten der Tiere wird von Geschlecht, Alter und Rasse beeinflusst. Beispielsweise verteidigen Kühe ihre Kälber und erwachsene Bullen bilden eher territoriale Gruppen oder sind Einzeltiere. Robust-Rinderrassen zeigen zum Teil wenig Herdenverbund. Sie bevorzugen eher ein individuelles Weiden und eignen sich eher zur Biotop-Pflege oder werden in der offenen Weidewirtschaft eingesetzt. Werden die Rinder nicht regelmäßig angefüttert und haben wenig Menschenkontakt, werden sie scheu und neigen zur Verwilderung.

Als Wiederkäuer sind Rinder in der Lage Pflanzenbestandteile wie beispielsweise Zellulose zu verwerten. Dank ihres mehrteiligen Magensystems und der mikrobiellen Verdauung sind sie ideal an Grünland als Grundfutter-Nahrungsquelle angepasst. Daher sind Grünlandstandorte eng mit der Rinderhaltung verbunden, wobei nach den Nutzungsrichtungen Milch-oder Fleischerzeugung unterschieden wird.

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland knapp 11 Millionen Rinder gehalten, davon waren 3,8 Millionen Milchkühe. Die regionalen Schwerpunkte für die Rinderhaltung befinden sich vor allem in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und in Bayern. Vor allem in der Milcherzeugung ist die saisonale Weidehaltung von Bedeutung, in 2020 hatte rund ein Drittel der Milchkühe Weidegang.

Milcherzeugung in der Weidehaltung

Eine Milchkuhherde besteht aus nur weiblichen Tieren. Die Tiere weiden im geschlossenen Verbund und suchen die Nähe zueinander. Beim Weideverfahren der Portions- oder Umtriebsweide wird dieses Verhalten von Milchkühen berücksichtigt. Dabei werden Milchkühe in der Regel saisonal über die Sommermonate auf Weiden gehalten. Wenn Kühe an 120 Tagen im Jahr für mindestens sechs Stunden auf der Weide stehen, kann deren Milch als „Weidemilch“ bezeichnet und vermarktet werden.

Hier entlang zu mehr Infos: Sind Milchkühe in Weidehaltung klimaschädlich?

Milchkühe auf Weiden zur Rindfleischerzeugung

Fallen Milchkühe aus der Milcherzeugung heraus, werden sie als Schlachttiere genutzt. Ihre Aufmast auf der Weide kann bei Grünfutterüberschuss je nach Rasse, Alter und Gewicht gelingen. Voraussetzung ist, dass die Kühe den Weidegang gewöhnt und ihre Kondition und ihr Gesundheitszustand gut sind. Sind die Preise für Schlachtkühe hoch, kann man mit der Aufmast von Milchkühen auf der Weide ein zusätzliches Einkommen mit dem Schlachtrind erzielen. Dabei können auch extensivere Weiden Verwendung finden.

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Mutterkühe auf Weiden zur Rindfleischerzeugung

Unterschiedlichste Grünlandstandorte eignen sich für die Mutterkuhhaltung.
©BLE, Bonn/Foto: Thomas Stephan

Mutterkuhherden können Mischherden aus unterschiedlichen Altersklassen sein, in denen Kälber und zeitweise Deckbullen in der Herde mitlaufen. Sie können aufgrund ihrer Herdenzusammensetzung unterschiedliche Aufwüchse und Futterwerte kompensieren. Rasseunterschiede bedingen ebenfalls unterschiedliche Futteransprüche. Liegen die Tierleistungen im Fokus, sollten Mutterkuhherden nach Altersklassen getrennt auf unterschiedlichen Weideflächen gehalten werden. Die besten, wüchsigen Weiden mit Weidefutter von hoher Verdaulichkeit sollten für Mutterkühe mit Kalb genutzt werden. Denn: besseres Futter führt zu einer höheren Milchleistung und circa zehn Liter mehr Milch können für ein Kilogramm mehr Zuwachs des Kalbs sorgen.

Aufzuchtfärsen als Nachzucht der zukünftigen Mutterkuhherde sowie Mastochsen und Mastfärsen brauchen im Weidemanagement besondere Aufmerksamkeit. Sie brauchen Weiden mit einer guten Qualität der Grasbestände. Um gute Weidemastergebnisse zu erreichen, sollten sie nicht zu extensiv gehalten werden.

In der Regel werden in der Mutterkuhhaltung großräumigere Weideverfahren genutzt. Doch auch auf kleineren Splitterflächen ist eine Mutterkuhhaltung möglich, damit kleine Grünlandflächen beweidet, genutzt und erhalten werden können. Allerdings ist damit ein höherer Aufwand beispielsweise beim Zaunbau, bei der Zaunpflege und der Versorgung der Tiere mit Futter und Wasser verbunden.

Ebenfalls möglich in der Mutterkuhhaltung ist eine ganzjährige Weidehaltung, wenn folgende Punkte erfüllt sind:

       •    eine ausreichende Winterfütterung,
       •    ständiger Zugang zu Wasser,
       •    am besten eine Strohmatte.

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Passen alle Voraussetzungen ist eine ganzjährige Weidehaltung ist in der Mutterkuhhaltung möglich.
©BLE, Bonn/Foto: Thomas Stephan

Ökonomisch betrachtet spielt die Mutterkuhhaltung zur Erzeugung von Rindfleisch eine eher untergeordnete Rolle in Deutschland. Die Nachfrage nach viel magerem und frischem Rindfleisch hat die traditionelle Weideochsen- und Weidefärsenmast fast verdrängt. Das qualitativ hochwertige, langsam gewachsene Weidefleisch hat aber eine hohe Qualität. Vor allem für direktvermarktende Betriebe, die auf regionale Wertschöpfung setzen, wird die Mutterkuhhaltung wiederentdeckt. Dabei ist nicht zu vergessen: sie benötigt ein intensives Management und Know-How.

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Grünland und Beweidung – Erhalt durch Nutzung

Fast ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands ist Grünland. Es ist fester Bestandteil unseres Landschaftsbilds und unserer Kulturlandschaft. Bedeutsam ist Mutterkuhhaltung daher auch aus Sicht des Grünland-Erhalts mit Hilfe von Beweidung. Grünland mit unterschiedlichsten Bedingungen wird mit Mutterkuhhaltung als extensiver Nutzungsform genutzt, gepflegt und erhalten. Es gilt, die natürlichen Voraussetzungen, die das Grünland zur Tierernährung bietet mit der passenden Weide-Rinderrasse und dem passenden Weideverfahren zu verbinden. Beide Ziele stehen hierbei im Fokus: Grünland als Grundfutterversorgung und Grünland-Erhalt durch Nutzung.

Hier entlang für mehr Infos zur Beweidung von Grünland

Hier entlang für mehr Infos zur Grünlandwirtschaft

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Fressverhalten von Weide-Rindern

Rinder reißen Grasbüschel mit Zunge und Kauplatte ab und beweiden so ihre Flächen besonders schonend.
©BLE, Bonn/Foto: Thomas Stephan

Rinder fressen weniger selektiv als beispielsweise Schafe oder Ziegen. Sie haben ein relativ breites Nahrungsspektrum an verschiedenen Grünpflanzenarten. Rinder bevorzugen vor allem Gräser, krautige Pflanzen bis hin zu Blättern oder jungen Trieben von Gehölzen. Stachlige, bitter schmeckende oder hartlaubige Pflanzen werden eher gemieden.

Beeinflusst wird die Nahrungswahl vom jahreszeitlich unterschiedlichen Nährstoffgehalt der einzelnen Pflanzenarten sowie von ihrer Verfügbarkeit. Rinder bevorzugen Pflanzen, die schnell und in großen Mengen aufgenommen werden können. Anders als Schafe oder Pferde scharren Rinder im Winter nicht nach Futter unter der Schneedecke. Sie sind auf eine ausreichende Winterfütterung angewiesen.

Wenn Rinder fressen, umfassen sie Pflanzenteile wie beispielsweise Grasbüschel mit ihrer Zunge und ihrer am oberen Kiefer befindlichen Kauplatte. Die Nahrung wird dann mit einer ruckartigen Kopfbewegung abgerissen. Sie hinterlassen auf ihren Weideflächen keinen Kahlfraß, so dass Pflanzen immer wieder neu austreiben können. Manche Pflanzenarten werden in bestimmten Altersstadien bevorzugt, was zu Pflanzen-Inseln aus gemiedenen Arten führen kann.

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Herausforderungen bei der Weidehaltung von Rindern

Auch wenn Weidehaltung als artgerecht gilt, ist sie für Betriebe eine organisatorische und ökonomische Herausforderung. Milchviehbetriebe beispielsweise streben meist eine große Herde und eine hohe Milchleistung pro Tier an. Zur optimalen Ausfütterung der Milchkühe reicht eine rein grundfutterbetonte Weidehaltung meist nicht aus. Kraftfutter und andere Futterkomponenten werden im Stall zugefüttert, auch um die Fütterung, die Leistung der Tiere und deren Gesundheitszustand besser kontrollieren zu können.

Hütesichere Zäune zu bauen und zu pflegen ist aufwändig, wolfsabweisende Zäune bedeuten noch erheblich mehr Aufwand.
©BLE, Bonn/Foto: Thomas Stephan

Wenn Weideflächen nicht arrondiert am Betrieb liegen, sind der Weideauftrieb und die Wasserversorgung der Tiere zeit- und arbeitsintensiv. Entscheidet man sich für Weidehaltung von Rindern, sollte der Betrieb in seiner Flächenzusammensetzung als Ganzes gesehen werden. Kosten entstehen auch durch Investitionen in beispielsweise den Bau von stationären Tränken oder hütesicheren und wolfsabweisenden Festzäunen. Deren laufende Kosten in der Unterhaltung sind nicht zu unterschätzen.

Die Gesunderhaltung der Rinderherde ist bei der Weidehaltung von großer Bedeutung. Gezielte Parasitenprophylaxe ist daher ein wichtiger Baustein im Herdenmanagement. Ein auf die Herde, den Standort und die Nutzungsrichtung abgestimmtes Parasitenprophylaxe-Programm ist zu planen und umzusetzen.

Weidehaltung erfordert eine hohe Sachkenntnis, besonders auch Kenntnisse über die wichtigsten Giftpflanzen, deren Aussehen, Vorkommen und Hauptwirkungen. Die Weideflächen sind dahingehend sorgfältig zu beobachten. Eine konsequente Weidepflege und angepasste Weideführung sind wichtige Instrumente, damit Erkrankungen durch Giftpflanzen die Ausnahme bleiben und wirtschaftliche Verluste minimiert werden.

Eine weitere Herausforderung ist die Rückkehr des Wolfs. Das deutschlandweite Wolfsmonitoring zeigt, dass die Wolfsbestände wachsen. Wolfsterritorien mit sesshaften Wölfen und Wolfsrudeln sind dabei regional sehr unterschiedlich verteilt. Doch auch Regionen ohne Wolfsterritorium können von Einzelwölfen durchstreift und für Weidetiere zur Gefahr werden. Obwohl Rinder als wehrhafter als kleinere Weidetiere wie Schafe und Ziegen gelten, kommen Wolfsübergriffe beispielsweise auf Kälberweiden vor. Herdenschutz von Weiderindern wird deshalb in ganz Deutschland immer wichtiger, Herdenschutzberatungen unterstützen dabei.

Hier entlang zu mehr Infos zur Wolfspräsenz in Deutschland

Hier entlang zu mehr Infos zu Herdenschutzberatungen und der Förderlandschaft in den Bundesländern

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Mit Weideplanung die Vorteile der Weidehaltung nutzen

So wie das Herdenmanagement ist die Weideplanung ein wichtiges Handwerkszeug in der Weidehaltung. Weidekonzeptionen oder Weidedrehbücher bieten die Möglichkeit, die standörtlichen und betrieblichen Anforderungen, die Anforderungen des biotischen und abiotischen Ressourcenschutzes, gesellschaftliche Bedürfnisse, Berücksichtigung des Mähanteils und dessen Häufigkeit zu berücksichtigen. Eine gute Weideplanung und das Führen eines Weidetagebuches eignen sich, um die eigenen Erfahrungen im Verlaufe des Weidejahres zu dokumentieren und die Weideleistung in den Folgejahren zu verbessern.

Für einige Betriebe kann die ganzjährige Weidehaltung von Mutterkühen Vorteile bieten:

       •    bessere Kälbergesundheit durch weniger Keimdruck als bei ganzjähriger Stallhaltung,
       •    weniger Erkrankungen bei Kühen,
       •    bessere Fruchtbarkeitszahlen.

Weidehaltung von Milchkühen ist besonders vorteilhaft, wenn bei der Milcherzeugung und -verarbeitung die wertvollen Inhaltstoffe Milcheiweiß und Milchfett in den Fokus rücken. Dabei spielt die Rassewahl eine wichtige Rolle: weniger großrahmige und weniger milchbetonte Rassen, deren Ausfütterung allein über die Weide eher schwierig ist, sind hier auch wirtschaftlich interessant. Vor allem, wenn die verbesserten indirekten Leistungen hinzugezählt werden:

      •    bessere Tiergesundheit,
      •    längere Nutzungsdauer der Tiere,
      •    geringerer Reproduktionsbedarf,
      •    bessere Schlachtleistung der abgehenden Kühe und Bullenkälber,
      •    Leistung an der Gesellschaft durch Erhaltung der Kulturlandschaft.

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Letzte Aktualisierung: 31.07.2023


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