Hier beginnt der Hauptinhalt dieser Seite

Selbstfürsorge zwischen Stall, Feld und Verantwortung Tipps aus der Praxis

Auch wenn es im landwirtschaftlichen Alltag oft schwerfällt: Achten Sie auf sich und fördern Sie Ihr Wohlbefinden. Das ist kein Luxus, sondern entscheidend für den Erfolg Ihres Betriebs sowie für Ihre langfristige körperliche und mentale Gesundheit. Žana Schmid-Mehić, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Familie und Betrieb e.V., gibt praktische Tipps für mehr Selbstfürsorge zwischen Stall, Feld und Verantwortung.

Selbstfürsorge heißt, zu wissen, was einem guttut – und daraus Kraft für Betrieb, Familie und Alltag zu schöpfen (Symbolbild).
Bild: Monty Rakusen/DigitalVersion via Getty Images

In der Landwirtschaft sind Stressfaktoren allgegenwärtig: Wetterextreme, wirtschaftlicher Druck, Personalmangel, Bürokratie, familiäre Verpflichtungen. Viele Landwirte und Landwirtinnen haben gelernt „durchzuhalten“. Doch dauerhafte Überlastung führt zu einem Zustand, in dem weder die Arbeit noch das Privatleben Freude bereiten. 

Bewusste Selbstfürsorge hilft, die Energievorräte wieder aufzuladen, unsere Gesundheit zu stärken und Krankheiten vorzubeugen. Doch im landwirtschaftlichen Alltag fällt es häufig schwer, sich um sich selbst zu sorgen. Dabei ist das eigene Wohlbefinden Teil des Betriebserfolgs. 

Selbstfürsorge bedeutet, sich selbst die gleiche Wertschätzung entgegenzubringen, die man dem Betrieb schenkt. Es geht nicht um Egoismus, sondern darum, langfristig leistungsfähig zu bleiben. Selbstfürsorge ist daher kein Luxus, sondern betriebliche Notwendigkeit, Zukunftssicherung und gelebte Vorsorge.

Kurz erklärt: Selbstfürsorge

Selbstfürsorge bedeutet, sich bewusst Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, um körperlich und seelisch gesund zu bleiben. Es geht darum, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und ernst zu nehmen. Selbstfürsorge unterstützt Sie dabei, Ihre Energie-Reserven wieder aufzufüllen und kann so zur Prävention gegen Stress und Burnout beitragen.

Praktische Selbstfürsorge im Alltag

Selbstfürsorge ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Was der einen Person guttut, ist für die andere ein Graus – sei es Gartenarbeit oder ein Besuch im Thermalbad. Die folgenden Ideen sind Anregungen für den landwirtschaftlichen Alltag. Dafür müssen Sie weder in Yoga-Hosen schlüpfen noch Tee kochen – können es aber gern tun, wenn es Ihnen gefällt! Probieren Sie aus, was Ihnen guttut, lassen Sie sich inspirieren und entwickeln Sie ihre eigene Strategie für mehr Selbstfürsorge.

Anregung 1: Gehen Sie auf Schatzsuche!

Selbstfürsorge heißt, die eigenen Kraftquellen - so genannte Ressourcen - zu kennen und bewusst zu nutzen. Was oder wer als solche Quelle dient, ist von Mensch zu Mensch verschieden. 
Wenn Sie das nächste Mal eine Arbeit erledigen, die Ihnen leichtfällt und wenig Konzentration fordert – etwa beim Ausmisten der Liegeboxen oder Staubsaugen –, stellen Sie sich folgende Fragen: 

  • Was tut mir gut? Was bereitet mir Freude? Was gibt mir Kraft?
    Zum Beispiel: Musik hören, mit der Freundin sprechen, hilfsbereit sein, Zeit im prächtigen Bauerngarten verbringen.
  • Wer tut mir gut?
    Zum Beispiel: mein Partner oder meine Partnerin, meine Schwiegermutter, mein alter Schulfreund. 
  • Auf wen oder worauf kann ich mich verlassen?

Die Antworten auf diese Fragen sind Ihre kostbaren Selbstfürsorge-Schätze, auf die Sie regelmäßig zurückgreifen können. Versuchen Sie in der kommenden Woche eine der Ressourcen bewusst in Ihren Alltag einzuplanen.

Anregung 2: Gönnen Sie sich „Feldrand- oder After-Melkstand- Momente“! 

Bevor Sie von einer Aufgabe zur nächsten eilen: Halten Sie inne und gönnen Sie sich eine kurze Pause!
Bild: Cool Picture/Moment via Getty Images

Sie haben gerade einen Schlag gepflügt oder das Melken beendet? Die Kinder zur Schule gebracht oder endlich den längst fälligen Anruf erledigt? Halten Sie inne, bevor Sie zur nächsten Aufgabe eilen und gönnen Sie sich eine Mini-Pause! Drei Minuten durchatmen und wahrnehmen – Selbstfürsorge beginnt im Kleinen!

  • Stellen Sie sich aufrecht hin und atmen Sie drei Mal tief durch die Nase ein und durch den leicht geöffneten Mund wieder aus. 
  • Nehmen Sie bewusst wahr, was Sie sehen, riechen, hören, spüren.

Tipp: Stellen Sie einen Timer, damit Sie nicht auf die Zeit achten müssen und sich ganz auf sich selbst konzentrieren können.

Diese einfache Achtsamkeitsübung kann helfen, Stresshormone zu senken und das Aufgaben- Karussell im Kopf zu bremsen.

Anregung 3: Versuchen Sie es mit einer „Dankesrunde“ am Abend!

Im Alltag auf dem Hof gibt es immer wieder Probleme zu meistern: Der Frontlader streikt, das Saatgut fehlt, und der Schwiegervater war heute besonders kritisch. Dabei geraten die positiven Momente oft aus dem Blick.

  • Schreiben Sie am Ende des Tages drei Dinge auf, die gut liefen oder für die Sie dankbar sind. Zum Beispiel: „Das Kalb hat gut getrunken“, „Es hat genug geregnet“ oder „Heute gab es mein Lieblingsessen“.
  • Schreiben Sie diese Dankesmomente auch auf kleine Zettel und sammeln Sie sie in einem Schraubglas. An trüben Tagen, wenn Ihnen nichts Gutes einfällt, können Sie auf diese Erinnerungen zurückgreifen! 

Diese Idee hilft, den Blick auf die positiven Seiten des Alltags zu richten, Dankbarkeit zu fördern und Grübeleien über Probleme zu unterbrechen. Sie werden überrascht sein, wie viele kleine Freuden ein Tag bereithält!

Anregung 4: Eigenlob stärkt!

Auf was sind Sie stolz? Was können Sie richtig gut? Das Nachdenken über solche Fragen kann unser Selbstbewusstsein stärken.
Bild: Monty Rakusen/DigitalVision via Getty Images

„Erst kommt der Hof, dann alles andere!“, „Ich muss nur härter arbeiten, dann wird das schon!“ oder „Eigenlob stinkt!“ – kennen Sie solche Sätze? Glaubenssätze prägen unser Denken und Handeln. Oft treiben sie uns in die Selbstausbeutung. Doch sind sie wirklich wahr? Wagen Sie einen Perspektivwechsel und schauen Sie auf Ihre Stärken, statt ständig Ihre Schwächen zu betonen. 

  • Was mache ich im Betrieb besonders gut? 
  • Worauf bin ich stolz? 
  • Was bringt meine Augen zum Leuchten?

 

Für die Antwort haben Sie verschiedene Möglichkeiten: 

  • Schreiben Sie Ihre Antworten auf. 
  • Sprechen Sie die Antwort laut aus, z.B. vor dem Spiegel, im Melkstand oder beim Füttern – ihre Lieblingskuh hört Ihnen sicherlich neugierig zu! – oder auf dem Traktor. 

Achten Sie dabei auf Ihre Stimmung: Wie fühlt es sich an, positiv über sich selbst zu schreiben oder zu sprechen? Diese Übung hilft Ihnen, Ihre eigenen Stärken kennenzulernen und fördert Ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl.

Anregung 5: Erleben Sie Gemeinschaft als Ressource!

Selbstfürsorge bedeutet auch, sich nicht zu isolieren. Gemeinschaft bietet soziale Unterstützung, etwa durch den Austausch mit Kollegen und Kolleginnen oder Nachbarn, und eröffnet neue Perspektiven und Wissen. Nehmen Sie teil am Leben oder engagieren Sie sich in:

  • Vereinen und lokale Gruppen wie Sportvereinen, LandFrauenverbänden oder Kulturvereinen,
  • Arbeitsgemeinschaften, Stammtischen oder Online-Gruppen,
  • Familienabenden, bei denen Arbeitsthemen bewusst pausieren,
  • Festen und Veranstaltungen wie Dorf- oder Hoffeste.

Anregung 6: Tanken Sie Energie aus Natur und Bewegung

Landwirtinnen und Landwirte sind ständig in der Natur und in Bewegung – doch oft fehlt der bewusste Blick dafür.

  • Versuchen Sie, die Natur nicht nur als Arbeitsplatz, sondern bewusst als Ihren Lebensraum zu erleben. Beobachten Sie beispielsweise die Schwalben im Stall, atmen Sie den süßlichen Duft des Maisfelds ein, lauschen Sie dem leichten Wind in der Linde vor dem Haus und nehmen Sie den Wechsel der Jahreszeiten wahr.
  • Auch wenn die Arbeit in der Landwirtschaft oft körperlich fordert: Probieren Sie eine andere Art der Bewegung abseits des Hofs aus – fahren Sie Fahrrad oder besuchen Sie wieder den Fußballverein, natürlich als Spielerin oder Spieler. 

Anregung 7: Gönnen Sie sich bewussten Genuss!

Dass gute Ernährung und Leistungsfähigkeit zusammenhängen, ist den meisten bewusst. Doch im stressigen Arbeitsalltag oder in besonders belastenden Situationen neigen wir dazu, Mahlzeiten auszulassen, zu viel zu essen oder uns einseitig zu ernähren. 

  • Versuchen Sie, so wenig wie möglich unterwegs zu essen. Setzen Sie sich zum Essen hin, kauen Sie langsam und nehmen Sie den Geschmack der Speisen wahr.
  • Mahlzeiten vorzubereiten und beispielsweise einzufrieren, kann die Arbeitslast an besonders stressigen Tagen reduzieren.
  • Wenn Sie gelegentlich ein Feierabendbier trinken, tuen Sie es mit Genuss und in Gesellschaft. Alkohol und andere „Genussmittel“ entspannen zwar kurzfristig, fördern aber keine nachhaltige Selbstfürsorge und bergen ein hohes Suchtpotential.

Anregung 8: Nehmen Sie körperliche und mentale Signale ernst!

Wer die Warnsignale des Körpers dauerhaft ignoriert, riskiert Folgen - für sich selbst und den Betrieb.
Bild: Halfpoint Images/Moment via Getty Images

Selbstfürsorge bedeutet, die Signale des Körpers zu erkennen, bevor sie unüberhörbar werden. Kaum einer lässt den Handyakku komplett leer laufen, weil wir wissen, dass es ihm schadet. Genauso verhält es sich mit unserem Körper. Wer seinen Akku nicht rechtzeitig auffüllt, gefährdet sich selbst – Erschöpfung und Krankheiten drohen. Der Körper warnt uns, wenn die Energie zur Neige geht:

  • Körperliche Warnsignale wie Kopfschmerzen, Verspannungen, Schlafprobleme, Magenbeschwerden oder Bluthochdruck.
  • Mentale Warnsignale wie Reizbarkeit, Antriebslosigkeit, Konzentrationsprobleme oder Erschöpfung.

Wer solche Anzeichen bemerkt, sollte gegensteuern – etwa mit den oben genannten Selbstfürsorge-Tipps. Reicht das nicht aus, suchen Sie Beratung oder professionelle Hilfe. Unterstützung anzunehmen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Wer Verantwortung für sich übernimmt, zeigt auch Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Betrieb. Eine Übersicht der Beratungs- und Hilfsangebote finden Sie hier.

Fazit

Selbstfürsorge ist Teil unternehmerischer Verantwortung. Wer auf sich achtet, verbessert Lebensqualität, Betriebserfolg und familiären Zusammenhalt. Selbstfürsorge beginnt mit kleinen Schritten: drei Minuten Achtsamkeit, ein ehrliches Gespräch, ein Moment der Dankbarkeit. So wächst allmählich eine Kultur der Fürsorge – für sich selbst, die Familie und den Hof.

Weitere Informationen

WDR 5 Neugier genügt: Umgang mit psychischen Problemen auf dem Bauernhof

Marijana Braune: Podcast – Don’t waste be happy

Brian Tracy, 2019, Eat the frog - 21 Wege, wie Sie in weniger Zeit mehr erreichen (als Hörbuch kostenlos auf Spotify verfügbar)

James Clear, 2020, Die 1% Methode (als Hörbuch kostenlos auf Spotify verfügbar)

Karin Kuschik, 2022, 50 Sätze, die das Leben leichter machen (als Hörbuch kostenlos auf Spotify verfügbar)

Buchtipp: Tatjana Reichhart (2021): Das Prinzip Selbstfürsorge

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Informationsangebote

Letzte Änderung dieser Seite am 16.12.2025