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Die Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in eine Richtung entwickelt, die das System Ackerbau zunehmend aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Immer engere, durch Winterungen geprägte Fruchtfolgen sowie vorgezogene Aussaattermine mit nicht angepassten Saatmengen haben dazu geführt, dass der Ungrasdruck auf dem Acker immer stärker geworden ist. Gefördert wurde dieser Prozess durch den ständigen Gebrauch von Herbiziden mit gleichem Wirkmechanismus, der auf Dauer resistente Ungraspopulationen hat entstehen lassen.
Neue Wirkmechanismen und Wirkstoffe, die diese Probleme mildern könnten, sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Hinzukommt das für 2024 geplante Anwendungsverbot für Glyphosat. Deswegen ist es jetzt wichtig, alternative acker- und pflanzenbauliche Strategien zu entwickeln und anzuwenden, um die Probleme mit Ungräsern in den Griff zu bekommen.
Das Nachernte- und Samenmanagement ist eine vielversprechende Strategie, mit der das Potenzial an Ausfallsamen im Boden verringert werden kann. Wie es funktioniert, stellen wir Ihnen im Folgenden am Beispiel des Problemungrases Ackerfuchsschwanz vor.
Das Nachernte- und Samenmanagement ist eines von vielen Handlungsfeldern des Gesamtkonzepts „Feldhygiene“. Hier kommen Sie zu unserem Übersichtsartikel zum Thema:
Feldhygiene - Langfristig handeln statt notdürftig heilen
In der BZL-Broschüre „Feldhygiene“, die Sie kostenlos über den BLE-Medienservice beziehen können, finden Sie „Ausfallraps“ als weiteres Beispiel für das Nachernte- und Samenmanagement. Außerdem werden dort weitere Handlungsfelder der Feldhygiene vorgestellt:
Unter den Ungräsern ist Ackerfuchsschwanz zweifelsohne dasjenige, das in Deutschland die stärkste Verbreitung hat und große wirtschaftliche Schäden verursacht. Die Herbizidresistenz ist bei diesem Ungras bereits weit vorangeschritten, sodass es kaum mehr zu verhindern ist, dass der Samenvorrat im Boden durch Ausfallsamen weiter zunimmt und zu immer stärkeren Problemen führt. Zur Bewältigung dieses Problems kommt dem Ausfallsamenmanagement eine besondere Bedeutung zu. Denn Ackerfuchsschwanz ist ein einjährig überwinterndes, im Herbst keimendes und im darauffolgenden Jahr blühendes Süßgras, das sich ausschließlich über die Samen vermehrt.
Um die Vorgehensweise beim Samenmanagement besser verstehen zu können, hilft es, sich etwas mit der Biologie dieses Ackerungrases auseinanderzusetzen.
Bereits ein Lichtreiz von wenigen Millisekunden reicht aus, um bei den Ackerfuchsschwanz-Samen eine Keimung auszulösen. 80 Prozent der Samen keimen im Herbst, besonders in den Monaten September und Oktober, wenn die Bodentemperaturen zwischen zehn und 15 Grad Celsius liegen. Der Herbsttermin ist günstig für die Keimung des Ackerfuchsschwanzes, weil sich dann meist genügend Feuchtigkeit im Boden befindet.
Die Bodenbewegung zur Saatbettbereitung und Aussaat erzeugt darüber hinaus den notwendigen Lichtreiz, der die Samen, die sich im Boden befinden, zum Keimen anregt. Ab November nimmt die Keim- und Auflaufrate dann wieder ab und beginnt erst im Frühjahr wieder mit einer kleineren neuen Auflaufwelle, wenn die Bedingungen günstig sind.
Beim Ausfallsamenmanagement ist es sehr wichtig, die Keimruhe zu beachten. Frisch ausgefallene Ackerfuchsschwanzsamen besitzen eine Primäre Keimruhe, die durch nachfolgende Umwelteinflüsse in eine Sekundäre Keimruhe übergehen kann. Die Primäre Keimruhe kann von null bis acht Wochen dauern und ist vor allem genetisch geprägt. Sie ist zusätzlich abhängig von den Temperaturen, die im Zeitraum Blüte bis Samenreife herrschen: Je wärmer es also in dieser Phase ist, umso kürzer ist die Primäre Keimruhe. Kältere Temperarturen (< 20 °C) hingegen führen zu einer längeren Primären Keimruhe.
Ackerfuchsschwanz erreicht die Samenreife in der Regel in den Monaten Juni bis Juli. Dieser Zeitraum kann sich jedoch nach hinten raus verlängern, wenn die Pflanzen stark bestockt sind. Dies liegt daran, dass die Abreife der Nebentriebe zeitlich verzögert stattfindet. Größere Temperaturschwankungen während dieses Zeitraums können dazu führen, dass sich bei den Samen eine unterschiedlich lange Primäre Keimruhe entwickelt.
Dunkelheit hingegen sorgt beim Ackerfuchsschwanz dafür, dass die frisch ausgefallenen Samen in die Sekundäre Keimruhe übergehen. Das wiederum hat zur Folge, dass diese Samen nicht mehr direkt im Herbst keimen und der Samenvorrat im Boden (weiter) aufgefüllt wird. Dieser unerwünschte Effekt kann bereits durch eine standardmäßige Stoppelbearbeitung mit Kurzscheibenegge oder Grubber bewirkt werden. Grundsätzlich gilt: Je tiefer die Samen dabei vergraben werden, desto länger ist die Sekundäre Keimruhe und umso mehr Samen reichern sich im Boden an. Die Samen des Ackerfuchsschwanzes haben im Boden eine Lebensdauer von bis zu neun Jahren.
Haben die Herbizidmaßnahmen nicht den gewünschten Erfolg und überragt der Ackerfuchsschwanz flächig die Kultur, ist davon auszugehen, dass nach der Ernte Unmengen von Ackerfuchsschwanzsamen auf der Bodenoberfläche liegen werden. Das Ziel des Nachernte- und Samenmanagements ist es, diese Ausfallsamen zum Keimen zu bringen. Die klassische Stoppelbearbeitung mit Kurzscheibenegge und Grubber ist dafür aus den oben beschriebenen Gründen die falsche Methode. Als deutlich besser hat sich in langjährigen Versuchen eine sehr flache Bodenbearbeitung mit dem Striegel erwiesen, bei der eine Bedeckung der Samen mit Erde verhindert wird.
Ein relativ einfach durchzuführender Test bietet Praktikerinnen und Praktikern eine Hilfestellung zur Einschätzung der Länge der Primären Keimruhe.
Dafür sammelt man Ackerfuchsschwanzsamen von Haupt- und Nebentrieben, streut sie zu Hause in einen mit Erde gefüllten Blumenkasten (den man ins Freie stellt) und gießt sie mit der Gießkanne an. Je nach Sammeldatum und Ausprägung der Primären Keimruhe dauert es zwischen drei und acht Wochen, bis sich die ersten Pflanzen zeigen.
Kann aufgrund ausreichend hoher Temperaturen während der Samenreife des Ackerfuchsschwanzes von einer kurzen Primären Keimruhe ausgegangen werden (Test siehe Infobox) und ist der Boden zwischen den Striegelgängen ausreichend feucht, wird der Erfolg innerhalb von etwa drei bis fünf Wochen sichtbar: die ersten Ackerfuchsschwanz-Pflanzen laufen auf.
Kommt es infolge kühler Temperaturen hingegen zu einer langen Primären Keimruhe, verschiebt sich der Prozess zeitlich nach hinten. Das hat auch zur Folge, dass sich die nachfolgende Grundbodenbearbeitung und die Aussaat nach hinten verschieben. Sollte aufgrund dieser Verzögerungen und der dann vorherrschenden Witterung nicht mehr guten Gewissens gedrillt werden können, muss gegebenenfalls über die Aussaat einer Sommerkultur im Frühjahr nachgedacht werden.
Ackerbaubetriebe, bei denen die Kultur aktuell frei von Ackerfuchsschwanz ist, die jedoch ein Samenpotenzial im Boden haben, sollten über die standardmäßige Stoppelbearbeitung versuchen, die im Boden befindlichen vorjährigen Ackerfuchsschwanzsamen aus der Sekundären Keimruhe zum Leben zu erwecken, um auf diesem Wege die Ackerfuchsschwanz-Samenbank im Boden zu reduzieren. Durch Lichtreiz und Feuchtigkeit (kurze Niederschläge) wird die Keimung dieser Samen angeregt.
Welches Gerät für diesen Bearbeitungsgang gewählt und wie tief gearbeitet wird, sollte davon abhängig gemacht werden, wo sich der Großteil der Samen im Boden befindet. Auf Flächen, auf denen üblicherweise flach gearbeitet wird, ist das Samenpotenzial in der Regel im oberen Bereich zu finden. Dort wo mit dem Pflug gearbeitet wird, liegen die Samen entsprechend tiefer. Die klassische Kurzscheibenegge ist besonders gut geeignet für Samenpotenzial, das sich in den oberen fünf Zentimetern befindet. Liegen die Samen tiefer, empfehlen sich Pflug oder Grubber. Über einen mehrmaligen Einsatz der Geräte kann der Effekt verbessert werden, indem immer wieder neue Lichtreize gesetzt und damit neue Auflaufwellen erzeugt werden.
Letzte Aktualisierung: 19.09.2023