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Selbstpflückanlagen: Die Kundschaft erntet selbst Einkommensalternativen

Fragt man die Kundinnen und Kunden vor Ort, sind sie sich einig: Selbstpflückanlagen sind ein Erlebnis für die ganze Familie und beliebtes Ausflugsziel. Doch rechnet sich das auch für den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb?

Der Ausflug zu einer Selbstpflückanlage ist ein Erlebnis für die ganze Familie – Naschen inklusive.
Bild: Fotofreundin/stock.adobe.com

Kinder wähnen sich vor allem in Beerenobstanlagen im Paradies: Mit der offiziellen Erlaubnis zum Naschen ausgestattet, sammeln sie eine sonnenwarme Frucht nach der anderen – und sehen gerade im städtischen Umfeld oft zum ersten Mal die zugehörigen Pflanzen. Erwachsene freuen sich neben dem Natur- und Familienerlebnis vor allem über die im Vergleich zum Handel deutlich günstigeren Preise, die größere Bandbreite an Sorten oder die Möglichkeit, frische Schnittblumen mit nach Hause zu nehmen.

Eine feine Sache also für die Verbraucherinnen und Verbraucher – aber auch für die Erzeugerinnen und Erzeuger? Sie sind schließlich nicht in erster Linie mit einem Unterhaltungs- oder Bildungsauftrag unterwegs, sondern möchten Gewinne erzielen. Der Blick in die Rechnungsbücher offenbart beim Thema Selbstpflückanlagen sehr unterschiedliche Ergebnisse.

Vorteile von Selbstpflückanlagen für Direktvermarkter

Selbstpflückanlagen müssen gut gemanagt werden und sind mit mehr Risiken behaftet als die üblichen Formen der (Direkt-)Vermarktung. Sie können aber vor allem für bestehende Direktvermarkter ein wirksames Element zur Imagepflege, Kundengewinnung und Kundenbindung sein – das im besten Falle auch einen Gewinn abwirft.

Aufgrund ihres Erlebnischarakters sind Selbstpflückanlagen bei gutem Wetter beliebte Ausflugsziele. Je näher sie am Betrieb liegen, desto besser lässt sich die Aufmerksamkeit der Kundinnen und Kunden auf einen vorhandenen Hofladen oder ein Hofcafé lenken. Doch auch regional kann mithilfe plakativer Schilder oder Flyer Markenbindung betrieben werden. Die Grundvoraussetzung dafür sind gepflegte Anlagen und freundliches Personal. Steigern lässt sich der Effekt durch zusätzliche Serviceleistungen:

  • eine große Bandbreite an Sorten, deren Vorteile auf Schildern und/oder aktiv erläutert werden (zum Beispiel besonders geschmacksintensiv, gut lagerfähig, perfekt zum Einkochen oder Backen, bei entsprechend zertifizierten Betrieben Hinweis auf Bio-Qualität)
  • günstige Verkehrsanbindung
  • nahe gelegene Parkplätze in ausreichender Zahl, von denen man die Anlagen bequem erreichen kann
  • ein Shuttleservice, wenn die zu beerntenden Anlagen weiter entfernt liegen (lohnt sich nur bei sehr großen etablierten Anlagen)
  • Toiletten oder eine Möglichkeit, sich nach dem Pflücken die Hände zu waschen
  • bei Schnittblumen scharfe Messer in ausreichender Zahl, eventuell auch Schnur zum Bündeln

Stimmt der Gesamteindruck und ist eine Anlage erst einmal etabliert, tritt der Verkaufspreis für viele Kundinnen und Kunden in den Hintergrund. Es wird bewusst eine bestimmte Anlage aufgesucht, „weil es dort so schön ist“ oder „so gut schmeckt“.

Dasselbe gilt dann im Optimalfall für den anbietenden Betrieb: Besteht eine positive Verknüpfung mit der Selbstpflückanalage, werden auch der Hofladen, das Hofcafé oder die Verkaufsstände des Betriebs aufgesucht oder angebotene Lieferdienste in Anspruch genommen. Der Besuch des Betriebs kann zum Teil einer Familientradition werden, die sich bestenfalls über mehrere Generationen erhält.

Risiken von Selbstpflückanlagen

Die Kostenseite von Selbstpflückanlagen lässt sich in der Regel gut vorab berechnen. Auf der Einkommensseite hingegen ist die Unsicherheit deutlich höher als bei anderen (Direkt-)Vermarktungsformen:

  • Bei regnerischem Wetter bleibt die Kundschaft aus.
  • Auch bei großer Hitze kommt deutlich weniger Kundschaft.
  • Bei einem witterungsbedingt überdurchschnittlich kurzen Reifefenster kann die Kundschaft das Angebot eventuell nicht bewältigen.
  • In ertragreichen Jahren mit entsprechend niedrigen Preisen im Einzelhandel sinkt die Attraktivität des Selbstpflückens.

Mit tagesaktuellen Preisen die Nachfrage steuern

Bei gutem Wetter sind Selbstpflückfelder ein beliebtes Ausflugsziel.
Bild: Thaut Images/stock.adobe.com

In einigen Selbstpflückanlagen (vorwiegend bei Beerenobst) werden die Preise tagesaktuell festgelegt. Das ermöglicht es, witterungsbedingte Schwankungen in gewissem Umfang aufzufangen. Bekommt die Kundschaft von freundlichen Angestellten auch erklärt, dass ein höherer Preis beispielsweise auf einen vorausgehenden Kälteeinbruch oder das bevorstehende Saisonende zurückgeht, ist die Akzeptanz deutlich höher.

Wo ist der richtige Standort für eine Selbstpflückanlage?

Selbstpflückanlagen lohnen sich am ehesten dort, wo unter der Bevölkerung das Einkochen größerer Mengen beziehungsweise die Vorratshaltung noch stärker ausgeprägt ist oder wieder im Kommen ist. Das trifft auf viele ländliche Regionen zu, oft aber auch auf kinderreiche Stadtteile in größeren Kommunen.

Welche Kulturen können für Selbstpflückanlagen angebaut werden?

Bei der Wahl der Kulturen für eine Selbstpflückanlage kann zwischen drei Ansätzen unterschieden werden:

  • Es wird die Kultur angebaut, auf die der Betrieb ohnehin spezialisiert ist. Das hält den zusätzlichen Aufwand klein.
  • Es wird im Sinne der Risikostreuung bewusst eine andere Kultur angebaut, um die Selbstpflückanlage als weiteres Standbein zu etablieren. Das bedeutet in der Regel einen zumindest vorübergehend höheren Aufwand, bis die Arbeitsabläufe etabliert und optimiert sind.
  • Es wird eine Kultur angebaut, die das Image unterstreicht oder ergänzt. So kann beispielsweise ein Schnittblumenfeld unmittelbar vor dem Hof auch einen Obstbetrieb optisch attraktiver machen und neue Kundschaft anziehen.

Interessant sind Selbstpflückanlagen bei Kulturen, die vorwiegend für den Frischverzehr bestimmt, in der Ernte und Verpackung aber sehr arbeitsintensiv und teuer sind, beispielsweise bei Himbeeren. Hier lassen sich in etablierten Selbstpflückanlagen bei passender Witterung durchaus gute Ergebnisse erzielen.

Klassische Kulturen für Selbstpflückanlagen sind:

  • Erdbeeren
  • Heidelbeeren
  • Himbeeren
  • Äpfel
  • Kürbisse
  • Schnittblumen (Tulpen, Narzissen, Bart-Nelken, Gladiolen, Sonnenblumen, Dahlien)

Weniger verbreitet sind:

  • Kirschen
  • Zwetschgen
  • Birnen
  • Kartoffeln
  • Walnüsse

Gut geplant zum Erfolg!

Selbstpflückanlagen sollten auf die gleiche Weise bewirtschaftet werden wie der Rest des Betriebs. Hinzu kommen spezifische Kosten: So wird beispielsweise ein Teil der verfügbaren Fläche für Wege, Parkplätze und den Verkaufsbereich benötigt.

Im Optimalfall lassen die Standortfaktoren es zu, dass die Selbstpflückanlage Teil der normalen Anbauflächen ist und flexibel festgelegt werden kann. Sprich bei schlechten Bedingungen kann die vorgesehene Fläche verkleinert und der Rest ganz normal von Saisonkräften beerntet werden.

Um das gewünschte Image hoher Qualität zu vermitteln, ist es in vielen Kulturen unerlässlich, professionelles Personal zur Pflege abzustellen. Beerenobst etwa muss regelmäßig durchgepflückt werden, um den Infektionsdruck kleinzuhalten, in Schnittblumenkulturen ist der Unkrautaufwuchs zu beseitigen. Mulchauflagen müssen erneuert, Wege und Plätze sauber, gut befahrbar und begehbar gehalten werden.

Was gibt es sonst noch zu beachten?

Verpackungsmaterial kann in der Regel unter dem Posten Einnahmen verbucht werden: Entweder bringen die Besucherinnen und Besucher Schüsseln, Körbe und dergleichen mit, die vor Pflückbeginn ausgewogen werden, oder sie erwerben Behältnisse am Verkaufsstand.

Unabhängig davon, ob Personal vor Ort das Erntegut auswiegt und den entsprechenden Betrag kassiert, oder ob sich lediglich eine „Kasse des Vertrauens“ – in Form einer Spardose oder ähnlichem – am Feld befindet: Das Finanzamt verlangt eine ordentliche Buchführung mit täglicher Abrechnung der Einnahmen.

Die „Kasse des Vertrauens“ funktioniert ehrfahrungsgemäß nicht besonders gut. Am ehesten funktioniert sie, wenn sich die Fläche direkt am Hof befindet oder zwischen dem Feld und den Fenstern des Wohnhauses Blickkontakt besteht.

Von Erfahrungen der Berufskollegen profitieren

Ob eine Selbstpflückanlage als Marketinginstrument sinnvoll ist oder sich als weiteres Standbein auch finanziell rentiert, hängt allerdings von vielen individuellen Faktoren ab. Um Chancen und Risiken auszuloten, empfehlen sich eine eingehende Beratung durch entsprechende gartenbauliche oder landwirtschaftliche Beratungsstellen und der Austausch in fachspezifischen Erfa-Gruppen.

Erfahrungsaustauschgruppen bringen Unternehmer der gleichen Fachrichtung zusammen, die örtlich nicht direkt miteinander konkurrieren und daher verhältnismäßig offen miteinander sprechen können. Sie werden häufig von berufsständischen Beratungseinrichtungen oder Fachverbänden koordiniert und treffen sich in der Regel mindestens einmal jährlich, um sich über Erfolge, Probleme und unternehmerische Strategien auszutauschen. Kosten und Aufwand sind gering, der Gewinn für alle Teilnehmenden aber umso größer.

Letzte Aktualisierung 15.11.2023

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