Direktvermarktung: Selbstpflückanlagen Einkommensalternativen

Fragt man die Kundinnen und Kunden vor Ort, sind sie sich einig: Selbstpflückanlagen sind ein Erlebnis für die ganze Familie. Doch rechnet sich das auch für den eigenen Betrieb?

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Kinder wähnen sich vor allem in Beerenobstanlagen im Paradies: Mit der offiziellen Erlaubnis zum Naschen ausgestattet, schieben sie sich genussvoll eine sonnenwarme Frucht nach der anderen in den Mund – und sehen gerade im städtischen Umfeld oft zum ersten Mal die zugehörigen Pflanzen.

Erwachsene freuen sich neben dem Natur- und Familienerlebnis vor allem über die im Vergleich zum Handel deutlich günstigeren Preise, die größere Bandbreite an Sorten oder die Möglichkeit, absolut frische Schnittblumen mit nach Hause zu nehmen.

Eine feine Sache also für die Verbraucherinnen und Verbraucher – aber auch für die Erzeugerinnen und Erzeuger? Sie sind schließlich nicht in erster Linie mit einem Unterhaltungs- oder Bildungsauftrag unterwegs, sondern mit Blick in die Rechnungsbücher. Und der offenbart beim Thema Selbstpflückanlagen oft extrem unterschiedliche Ergebnisse.

Was können Selbstpflückanlagen – und was nicht?

Um es kurz zusammenzufassen: Selbstpflückanlagen sind definitiv keine arbeitsextensiven Selbstläufer und sie sind mit mehr Risiken behaftet als die üblichen Formen der (Direkt-)Vermarktung. Sie können aber vor allem für Direktvermarkter ein wirksames Element zur Imagepflege, Kundengewinnung und Kundenbindung sein – das im besten Falle auch noch einen Gewinn abwirft.


Klassische Kulturen für Selbstpflückanlagen

  • Erdbeeren
  • Heidelbeeren
  • Himbeeren
  • Äpfel
  • Kürbisse
  • Schnittblumen (Tulpen, Narzissen, Bart-Nelken, Gladiolen, Sonnenblumen, Dahlien)

Weniger verbreitete Kulturen

  • Kirschen
  • Zwetschen
  • Birnen
  • Kartoffeln
  • Walnüsse

Grundsätzliches zu Selbstpflückanlagen

Selbstpflückanlagen sollten auf die gleiche Weise bewirtschaftet werden wie der Rest des Betriebs. Hinzu kommen spezifische Kosten. So wird beispielsweise ein Teil der verfügbaren Fläche für Wege, Parkplätze und den Verkaufsbereich benötigt. Um das gewünschte Image hoher Qualität zu vermitteln, ist es in vielen Kulturen unerlässlich, professionelles Personal zur Pflege abzustellen. Beerenobst etwa muss regelmäßig durchgepflückt werden, um den Infektionsdruck kleinzuhalten, in Schnittblumenkulturen ist der Unkrautaufwuchs zu beseitigen. Etwaige Mulchauflagen müssen erneuert, Wege und Plätze sauber und gut befahrbar/begehbar gehalten werden.

Verpackungsmaterial kann in der Regel unter dem Posten Einnahmen verbucht werden: Entweder bringen die Besucherinnen und Besucher Schüsseln, Körbe und dergleichen mit, die vor Pflückbeginn ausgewogen werden, oder sie erwerben Behältnisse am Verkaufsstand.

Selbstpflückanlagen lohnen sich am ehesten dort, wo unter der Bevölkerung das Einkochen größerer Mengen beziehungsweise die Vorratshaltung traditionell noch stärker ausgeprägt ist – oder wieder im Kommen. Das trifft auf viele ländliche Regionen zu, oft aber auch auf kinderreiche Stadtteile in größeren Kommunen sowie auf Stadtteile mit einem hohen Anteil an Migrantinnen und Migranten.

Unabhängig davon, ob das Personal vor Ort das Erntegut auswiegt beziehungsweise zählt und den entsprechenden Betrag kassiert, oder ob sich lediglich eine „Kasse des Vertrauens“ am Feld befindet: Das Finanzamt verlangt eine ordentliche Buchführung mit täglicher Abrechnung der Einnahmen.

Bei der Wahl der Kulturen für eine Selbstpflückanlage können drei Ansätze unterschieden werden:

  • Es wird die Kultur angebaut, auf die der Betrieb ohnehin spezialisiert ist. Das hält den zusätzlichen Aufwand klein.
  • Es wird im Sinne der Risikostreuung bewusst eine andere Kultur angebaut, um die Selbstpflückanlage als weiteres Standbein zu etablieren. Das bedeutet in der Regel einen zumindest vorübergehend höheren Aufwand, bis die Arbeitsabläufe etabliert und optimiert sind.
  • Es wird eine Kultur angebaut, die das Image unterstreicht oder ergänzt. So kann beispielsweise ein Schnittblumenfeld unmittelbar vor dem Hof auch einen Obstbetrieb optisch attraktiver machen und neue Kundschaft anziehen.

Risiken von Selbstpflückanlagen

Die Kostenseite von Selbstpflückanlagen lässt sich in der Regel gut vorab berechnen. Auf der Einkommensseite hingegen ist die Unsicherheit deutlich höher als bei anderen (Direkt-)Vermarktungsformen:

  • Bei Kälte und Nässe bleibt die Kundschaft ganz aus.
  • Bei großer Hitze kommt deutlich weniger Kundschaft.
  • Bei einem witterungsbedingt überdurchschnittlich kurzen Reifefenster kann die Kundschaft das Angebot nicht bewältigen.
  • In ertragreichen Jahren mit entsprechend niedrigen Preisen auch im Einzelhandel sinkt die Attraktivität des Selbstpflückens.

Zur "Kasse des Vertrauens", die sich in Form einer Sparbüchse oder ähnlicher Behältnisse vor allem noch bei Schnittblumen- und Kürbiskulturen findet, lässt sich festhalten: Sie funktioniert ehrfahrungsgemäß nicht besonders gut; am ehesten noch, wenn sich die Fläche direkt am Hof befindet und zwischen Feld und den Fenstern des Wohnhauses Blickkontakt besteht. Im Ganzen betrachtet, ist diese Abrechnungsform für die meisten Betriebe ungeeignet.

Chancen von Selbstpflückanlagen

Bei gutem Wetter sind Selbstpflückfelder ein beliebtes Ausflugsziel. Quelle: Thaut Images-stock.adobe.com

Aufgrund ihres Erlebnischarakters sind Selbstpflückanlagen bei gutem Wetter beliebte Ausflugsziele. Je näher sie am Betrieb liegen, desto besser lässt sich die Aufmerksamkeit der Kundinnen und Kunden auf einen vorhandenen Hofladen oder ein Hofcafé lenken. Doch auch regional kann mithilfe plakativer Schilder oder mitgegebener Flyer Markenbindung betrieben werden. Die Grundvoraussetzung dafür sind gepflegte Anlagen und freundliches Personal. Steigern lässt sich der Effekt durch zusätzliche Serviceleistungen:

eine große Bandbreite an Sorten, deren Vorteile auf Schildern und/oder aktiv erläutert werden (z.B. besonders geschmacksintensiv, gut lagerfähig, diese perfekt zum Einkochen, jene zum Backen, bei entsprechend zertifizierten Betrieben Hinweis auf Bio-Qualität)

  • günstige Verkehrsanbindung
  • nah gelegene Parkplätze in ausreichender Zahl, von denen man die Anlagen bequem erreichen kann
  • ein Shuttleservice, wenn die zu beerntenden Anlagen weiter entfernt liegen (lohnt sich nur bei sehr großen etablierten Anlagen)
  • Toiletten und/oder eine Möglichkeit, sich nach dem Pflücken die Hände zu waschen
  • bei Schnittblumen scharfe Messer in ausreichender Zahl, eventuell auch Schnur zum Bündeln

Stimmt der Gesamteindruck und ist eine Anlage erst einmal etabliert, tritt der Verkaufspreis für viele Kundinnen und Kunden in den Hintergrund. Es wird bewusst eine bestimmte Anlage aufgesucht "weil es dort so schön ist / so gut schmeckt".

Dasselbe gilt dann im Optimalfall für den anbietenden Betrieb: Besteht eine positive Verknüpfung, werden auch gezielt der Hofladen, das Hofcafé oder die Verkaufsstände des Betriebs aufgesucht oder angebotene Lieferdienste in Anspruch genommen. Der Betrieb wird Teil einer Familientradition, die sich über mehrere Generationen erhalten kann.

Interessant sind Selbstpflückanlagen auch bei Kulturen, die vorwiegend für den Frischverzehr bestimmt, in der Ernte und Verpackung aber sehr arbeitsintensiv und teuer sind, beispielsweise bei Himbeeren. Hier lassen sich in etablierten Selbstpflückanlagen bei passender Witterung durchaus gute Ergebnisse erzielen.

In einigen Selbstpflückanlagen (vorwiegend bei Beerenobst) werden die Preise tagesaktuell festgelegt. Das ermöglicht es, witterungsbedingte Schwankungen in gewissem Umfang aufzufangen. Bekommen die Kundinnen und Kunden von freundlichen Angestellten erklärt, dass ein höherer Preis beispielsweise auf einen vorausgehenden Kälteeinbruch oder das bevorstehende Saisonende zurückgeht, ist die Akzeptanz deutlich höher.

Empfehlungen zur Planung

Im Optimalfall lassen die Standortfaktoren es zu, dass die Selbstpflückanlage Teil der normalen Anbauflächen ist und flexibel eingesetzt werden kann. Sprich bei schlechten Bedingungen kann die vorgesehene Fläche verkleinert und der Rest ganz normal von Saisonkräften beerntet werden.

Ob eine Selbstpflückanlage als Marketinginstrument sinnvoll ist und/oder sich als weiteres Standbein auch finanziell rentiert, hängt allerdings von vielen individuellen Faktoren ab. Um Chancen und Risiken auszuloten, empfehlen sich eine eingehende Beratung durch entsprechende gartenbauliche oder landwirtschaftliche Beratungsstellen und der Austausch in fachspezifischen Erfa-Gruppen.

Erfahrungsaustauschgruppen bringen Unternehmer der gleichen Fachrichtung zusammen, die örtlich nicht direkt miteinander konkurrieren und daher verhältnismäßig offen miteinander sprechen können. Sie werden häufig von berufsständischen Beratungseinrichtungen oder Fachverbänden koordiniert und treffen sich in der Regel mindestens einmal jährlich, um sich über Erfolge, Probleme und unternehmerische Strategien auszutauschen. Kosten und Aufwand sind gering, der Gewinn für alle Teilnehmenden aber umso größer.