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Um einen Eindruck von der Lebenssituation auf landwirtschaftlichen Betrieben zu bekommen, braucht es zunächst authentische Einblicke. Glücklicherweise liefert die Studie „Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in der Landwirtschaft“, in der über 7.345 Frauen auf Bauernhöfen unter anderem nach ihrer jeweiligen Lebenssituation und den privaten Verhältnissen befragt wurden, interessante Erkenntnisse, zumindest auf der Seite der Frauen.
Diesen Blick auf die Situation auf den Höfen braucht es, denn laut Destatis wurden im Jahr 2020 knapp 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe als Einzelunternehmen bewirtschaftet – also überwiegend als Familienbetriebe. Und auch die Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) werden oft von einer Familie geführt. Dieser Beitrag konzentriert sich vor allem auf das Betriebsleiter-Paar, in deren Leben Kinder und Senioren zwar eine große Rolle spielen, die aber zuerst auf ihre eigene Partnerschaft achten sollten.
83 Prozent der Frauen gaben in der genannten Studie an, in der Landwirtschaft aktiv zu sein. Das beinhaltet beispielsweise „Buchhaltung, Finanzen und Büro“ (70 Prozent) sowie „Soziale Aufgaben im Betrieb“ (63 Prozent). 70 Prozent der befragten Frauen berichteten außerdem, als Springerin aktiv zu sein, und im Rahmen dessen die unterschiedlichsten Aufgaben auf dem Betrieb zu übernehmen oder eben einfach nur einzuspringen, wenn Not ist oder Mitarbeitende ausfallen. Die Tierhaltung gehörte mit 60 Prozent ebenfalls zu den am häufigsten genannten Arbeitsbereichen. Auch die Arbeitsfelder oder Nebenbetriebe Tourismusangebote, soziale Angebote/Bildungsangebote, Pensionspferde/Reiten und Direktvermarktung obliegen oft den Frauen.
Männer hingegen sind dagegen anscheinend eher aktiv in den Bereichen „Feldarbeit im Acker-, Garten-, Obst- und Weinbau“ und „Maschinenwartung“, da diese von den Frauen nur selten angegeben wurden. Auch die Erzeugung erneuerbarer Energien, die Forstwirtschaft und Lohnarbeiten liegen anscheinend eher in Männerhand.
Zusätzlich üben 83 Prozent aller Teilnehmerinnen jedoch auch Tätigkeiten in der Hauswirtschaft aus, nämlich die Essenszubereitung (80 Prozent), die Instandhaltung und Reinigung des Hauses (80 Prozent), Bewirtschaftung des Hausgartens (69 Prozent), die Kinderbetreuung (59 Prozent) und die Pflege von Familienangehörigen (44 Prozent). Unterstützung von außen, beispielsweise durch Arbeitskräfte, gab es dabei bei der Mehrheit (zwei Drittel bis drei Viertel) der Teilnehmerinnen nicht. Auch außerbetriebliche Erwerbstätigkeiten kommen bei etwas weniger als der Hälfte der Frauen hinzu.
Die Angaben der befragten Frauen lassen auf eine Rollenverteilung schließen, in der die Männer überwiegend im Betrieb und auf dem Acker beschäftigt sind, während die Frauen sich öfter um Haus und Hof kümmern sowie die Tiere betreuen. Grund genug, sich diese Situation genauer anzuschauen.
Denn gehen wir von dieser überwiegend anzutreffenden Arbeitsverteilung aus, stellen sich natürlich schnell Fragen zum partnerschaftlichen Miteinander. Wie ist es um die Aufteilung von bezahlter und nicht bezahlter Arbeit bestellt? Fühlen sich beide in ihrer Arbeit wertgeschätzt und nicht überlastet? Wie kompliziert ist es, Unterstützung für einzelne Aufgaben im Betrieb oder im Haushalt zu erhalten, Arbeitsprozesse zu verbessern oder Verantwortlichkeiten neu zu regeln? Schließlich gibt es im Tagesgeschäft eine Vielzahl von Aufgaben, die gut aufeinander abgestimmt sein müssen. Und es sollte auch freie Zeit für sich selbst bleiben.
Die Verfasserinnen der Studie kommen in ihrem Abschlussbericht nach Auswertung aller Ergebnisse und persönlichen Statements zu dem Schluss, dass die befragten Frauen ein hohes Maß an unbezahlter Haus- und Carearbeit leisten. Dies einzuordnen ist jedoch schwierig, da die Tätigkeiten im Haushalt seit 2010 nicht mehr erfasst werden. Aussagen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kommen zu dem Ergebnis, dass Frauen pro Tag im Durchschnitt 44,3 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit aufwenden als Männer. Pro Tag ergibt einen Unterschied von 79 Minuten zwischen Männern und Frauen.
Ein Bild, das auch die vorliegende Studie zeichnet. Frauen seien demnach überwiegend verantwortlich für (unbezahlte) Fürsorgearbeiten im Haushalt. Zwar zeige sich hier erfreulicherweise ein Wandel zu einer stärkeren Teilung der Aufgaben zwischen Mann und Frau, doch die Hauptlast liege nach wie vor bei den Frauen und sorge damit für wirtschaftliche Unsicherheit. Denn deren unbezahlte Carearbeit hat einen eklatanten Nachteil: Sie wird nicht bezahlt und fließt damit auch nicht in die Altersvorsorge mit ein.
Verspüren Sie als Betriebsleiterpaar gegebenenfalls den Wunsch, hier anzusetzen und die bisherigen Strukturen zu verändern? Wenn ja, wie lässt sich dies erfolgversprechend umsetzen? Die wohl beste Art, Themen wie diese im Sinne einer auswogenen Partnerschaft anzugehen, ist gute Kommunikation.
Ein Schlüssel hierbei ist das rechtzeitige Wahrnehmen der eigenen Empfindungen und Gefühle und das Zum-Ausdruck-Bringen zur rechten Zeit, am rechten Ort und in gegenseitig verständlicher Weise. Aufgestaute Unzufriedenheit, Frust und festgefahrene Vorwürfe und Vorurteile sind dabei schlechte Begleiter. Stattdessen sollten Probleme zeitnah, ernsthaft und entspannt angesprochen werden, Bedürfnisse dargestellt und Situationen gemeinschaftlich analysiert und beschrieben werden. Wenn dies gelingt, sind die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Suche nach partnerschaftlichen Regelungen geschaffen.
Dabei ist der passende Rahmen genauso wichtig wie die Bereitschaft, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen sowie sich in das Gegenüber hineinzuversetzen. Auch das Trennen der Sach- und Beziehungsebene kann helfen, insbesondere wenn es um die Entscheidung betrieblicher Fragen oder der Arbeitssituation geht.
Wem dies oder das Vereinbaren verbindlicher Absprachen schwerfällt, kann sich Hilfe von außen holen, sei es durch Coaching, Mediation oder speziell auf die Landwirtschaft zugeschnittene Beratungsangebote – beispielsweise die der sozioökonomischen Beratung. Im Krisenfall kann auch das Einzelfallcoaching der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) oder die landwirtschaftliche Familienberatung oder anonyme Social-Media-Gruppen eine Anlaufstelle sein, um Probleme auszusprechen, sich mit anderen zu verbinden und von deren Erfahrungen zu profitieren.
Die enge Verzahnung von Job und Privatleben auf landwirtschaftlichen Betrieben ist sicherlich nicht immer leicht zu leben und zu gestalten. Doch gleichzeitig bietet das Umfeld große Chancen. Die Nähe von Arbeits- und Wohnort kann genutzt werden, um Abläufe zu optimieren und Aufgaben anders zu verteilen. Die oft unterschätzte Gestaltungsfreiheit macht es möglich, verschiedene Varianten auszuprobieren und regelmäßig zu überprüfen. Auch kann das Annehmen externer Hilfe, wie beispielsweise einer Putzkraft oder einer Kinderbetreuung das Arbeitspensum und die Belastung reduzieren und neue Freiräume nicht nur für die Frauen, sondern indirekt alle partnerschaftlich Beteiligten schaffen.
Auch in der Landwirtschaft übernehmen Frauen durchschnittlich weit mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer – dies kann zu Problemen führen, beispielsweise durch Überlastung oder fehlender sozialer Absicherung und Altersvorsorge. Spüren Paare hier Verbesserungsbedarf, hilft nur eine gute Kommunikation untereinander und der Mut, neue Modelle auszuprobieren. Die enge Verzahnung von Beruf und Privatleben auf landwirtschaftlichen Betrieben bietet Spielraum, den es auszuloten und zu gestalten gilt.
Letzte Aktualisierung 05.07.2024