Die vielfältige Lebenswirklichkeit von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben untersuchte auch die Studie „Die Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland“. Regionale Unterschiede wurden hier ebenso berücksichtigt wie unterschiedliche Betriebsformen und Lebensentwürfe. Sowohl Betriebsleiterinnen und Geschäftsführerinnen, mitarbeitende Familienangehörige, (ehemals) angestellte Frauen als auch Altenteilerinnen kommen zu Wort. Es geht um Arbeitsbelastung, Ehrenamt und Familie. Was macht Freude? Was Sorgen?
Das Forschungsprojekt lief bis Februar 2023 und wurde im Auftrag des BMEL von Wissenschaftlerinnen des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft und des Lehrstuhls für Soziologie Ländlicher Räume der Georg-August-Universität Göttingen durchgeführt. Kooperationspartner war der Deutsche Landfrauenverband.
Mit dem Projekt sollten die gegenwärtigen Lebensverhältnisse und die Zukunftsperspektiven der Frauen in der Landwirtschaft und deren Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt in ländlichen Regionen näher beleuchtet werden. Im Rahmen des Projekts wurden biografische Interviews sowie Workshops durchgeführt, in denen die Frauen nach Themen gefragt wurden, die sie bewegen. Dazu kamen eine Online-Umfrage und circa 50 weitere qualitative Interviews.
Hofnachfolge für Frauen schwieriger als für Männer
Das Forschungsprojekt zeigte: Die Hofnachfolge gestaltet sich für Frauen schwieriger als für Männer, so die Wissenschaftlerinnen Janna Luisa Pieper und Susanne Padel. Die Eigentumsverhältnisse seien auch heute noch patriarchal geprägt. Da häufig noch an der Tradition der männlichen Hofnachfolge festgehalten werde, hätten Frauen kaum Chancen, geerbten Zugang zu Hofstellen und Land zu erhalten. Oft kommen Frauen nur durch Existenzgründung, außerfamiliäre Hofübernahme oder Einheirat zu einem landwirtschaftlichen Betrieb.
Frauen, die einen Hof übernommen haben, berichteten in den Interviews und Workshops im Rahmen des Projekts, dass ihnen nur die Verhinderung des Bruders, etwa durch Krankheit oder Desinteresse an der Landwirtschaft, die Hofübernahme ermöglicht hätte. Dies sei bedauerlich, so die Autorinnen, denn oft seien gerade die Frauen Impulsgeberinnen für neue Bewirtschaftungsweisen, Betriebszweige oder Vermarktungskonzepte auf den Höfen.
Soziale und rechtliche Absicherung mangelhaft
Auch in der sozialen und rechtlichen Sicherung von Frauen gebe es noch Nachholbedarf: Auffällig sei, dass die eingeheirateten Frauen beziehungsweise Partnerinnen sich zwar als Miteigentümerinnen der neuen Betriebszweige oder des kompletten Betriebes verstehen, sie es aber auf dem Papier oft nicht sind. Dieser Umstand hat schwere Konsequenzen im Fall einer Trennung, Scheidung oder im Erbfall, da die Frauen dann keine Ansprüche auf die von ihnen gegründeten und geführten Unternehmen haben.
Außerlandwirtschaftliches Einkommen heute verbreiteter als früher
Frauen, die auf einem landwirtschaftlichen Betrieb leben, jedoch außerlandwirtschaftlich beschäftigt sind, empfinden ihre Lebenskonstellation zum Teil als viel ausgewogener, berichten Pieper und Padel. Die Berufstätigkeit verschaffe ihnen „Auszeiten vom stressigen Hofalltag“.
Gleichwohl könne die außerlandwirtschaftliche Berufstätigkeit aber auch zu Überlastungssituationen bei den Frauen führen. Beispielsweise wenn sie beim Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Familienphase keine Entlastung in ihren bisherigen Aufgabengebieten im Betrieb oder in der Familie erhalten würden.
Auch Zukunftssorgen wurden in den Interviews und Gruppendiskussionen thematisiert: Durch die sich stetig verändernden (agrar-)politischen Rahmenbedingungen und die vermehrten gesellschaftlichen Ansprüche an die Landwirtschaft sehen viele Frauen die Existenz der Höfe und damit auch ihr Arbeits- und Lebensumfeld bedroht. Da sie oft für die Buchhaltung des Betriebs verantwortlich sind, haben sie einen genauen Einblick in die Zahlen und damit die Wirtschaftlichkeit der Betriebe.
Letzte Aktualisierung 17.07.2024