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Wildtiere vor dem Mähtod schützen Grünland

Damit die Frühmahd von Grünflächen für Wildtiere nicht den Tod bedeutet, gilt es mit geeigneten Maßnahmen vorzubeugen.

Jedes Jahr werden Rehkitze im Frühjahr bei Mäharbeiten verletzt oder getötet, da sie von den Ricken in Wiesen und Futteranbauflächen abgelegt werden. Quelle: Sophie Linckersdorff/iStock/Getty Images Plus via Getty Images

Die Mahd von Grünland und Energiepflanzen fällt mitten in die Brut- und Setzzeit vieler Wildtiere. Jedes Jahr wird daher die Frühmahd Rehkitzen und Junghasen zum Verhängnis: Obwohl sie bereits wenige Stunden nach der Geburt laufen können, ducken sie sich bei Gefahr tief ins Gras, anstatt wegzulaufen. Außerdem können diverse bodennah lebende Kleinsäuger und Amphibien, Bodenbrüter sowie deren Gelege und auch Insekten bei der Mahd verletzt oder getötet werden.

Für Landwirtinnen und Landwirte kommt neben der psychischen Belastung durch das unbeabsichtigte vermähen von Tieren auch die Gefahr hinzu, dass Kadaver in der Silage landen und diese somit kontaminieren. Denn in Tierkadavern kann sich das Bakterium Clostridium botulinum vermehren, welches den Giftstoff Botulinumtoxin produziert. Fressen Tiere die kontaminierten Futtermittel, kann es zu Botulismus, einer lebensbedrohlichen Vergiftung, kommen.

Alle Grünlandbewirtschaftenden, also Landwirtinnen und Landwirte, Lohnunternehmerinnen und Lohnunternehmer, Landschaftspflegeunternehmen und Privatpersonen sind nach dem Gesetz verpflichtet, vorbeugende Maßnahmen zur Wildtierrettung zu ergreifen.

Es gibt unterschiedliche Maßnahmen zum Schutz der Wildtiere wie

Da es keine Maßnahme gibt, die alle Tiere zu allen Zeitpunkten gleichermaßen schützt, sollten verschiedene Maßnahmen sinnvoll miteinander kombiniert werden, je nachdem, welche Tiere sich auf der Fläche befinden. Wichtig ist auch die anstehenden Grünschnitt-Termine rechtzeitig mit dem Jagdpächter abzustimmen.

Absuchen der Fläche

Das Absuchen durch Begehen der Fläche ist einfach durchzuführen und kann durch den Einsatz geeigneter Hunden unterstützt werden.

Technische Unterstützung beim Absuchen bietet der Einsatz bis zu sechs Meter breiten Infrarot-Sensorbalken, die Wildtiere aufspüren sollen. Da das Ablaufen mit dem Infrarotgerät viel Zeit in Anspruch nimmt, können die Geräte auch auf ein Quad montiert werden, mit dem man die zu mähende Fläche abfahren kann. Besonders gut geeignet sind diese tragbaren Infrarotsensoren für kleinere Flächen wie Erosionsschutz- oder Gewässerrandstreifen. Ein Nachteil der Technik: Bei höheren Temperaturen, beispielsweise ab dem späten Vormittag, kann es dazu kommen, dass die Infrarotsensoren Rehkitze nicht mehr zuverlässig detektieren.

Drohnen mit Wärmebildkameras können bei der Suche nach Wildtieren eingesetzt werden. Quelle: Landpixel.de

Seit einigen Jahren werden auch Drohnen mit Wärmebildkamera zum Absuchen von Flächen eingesetzt. Diese haben sich als sehr effektive Maßnahme zum Orten und Retten von Rehkitzen erwiesen. Dabei ist der Zeitpunkt des Drohneneinsatzes sehr wichtig: Wird am Abend vor der Mahd geflogen, damit keine direkte Sonneneinstrahlung mehr vorhanden ist, können von der Fläche entfernte Kitze über Nacht wieder ins hohe Gras zurückflüchten. Deswegen sollte der Drohneneinsatz möglichst unmittelbar vor dem Mähen erfolgen. Die gefundenen Kitze werden am besten mit einem Wäschekorb abgedeckt und erst kurz vor dem Mähbeginnen – ohne sie mit bloßen Händen anzufassen - weggebracht, damit sie nicht zurück in die zu mähende Fläche laufen.
Soll nachmittags gemäht werden, ergibt sich ein anderes Problem: neben Rehkitzen können auch von der Sonne aufgewärmte Maulwurfshügel detektiert werden. Neuere Drohnen verfügen über eine verbesserte Technik und arbeiten beispielsweise mit Hotspot-Technologie, bei der sich der Schwellenwert als Unterschied zur Umgebungstemperatur beliebig einstellen lässt. Damit wird der Drohneneinsatz wetter- und lichteinfallunabhängiger.
Zur Rechtslage: Drohnen unter fünf Kilogramm dürfen genehmigungsfrei von jedem geflogen werden, allerdings nicht im Bereich von Hochspannungsleitungen oder in der Nähe von Wohnbebauungen.

Vergrämen oder Vergraulen

Wildtiere kann man auf verschiedene Weise vergrämen. Zum einen durch das begehen der Fläche, gegebenenfalls mit einem geeigneten Hund. Mit gekauften oder selbstgebauten Scheuchen werden Wildtiere durch optische oder akustische Reize vergrämt. Eine weitere Möglichkeit ist die Verstänkerung mit dazu geeigneten Geruchsstoffen. Diese Maßnahmen zur Vergrämung sollten ein bis maximal zwei Tage vor der Mahd vorgenommen werden, da sonst ein Gewöhnungseffekt bei den Tieren eintritt. Während der Mahd können am Mähwerk montierte akustische Wildretter eingesetzt werden.

Eine positive Wirkung hat auch das Vergrämen durch Anmähen der Vorgewende oder eines Schnittstreifens am Vorabend der eigentlichen Mahd. Vor dem Anmähen muss der Bereich, der angemäht werden soll, grundsätzlich auch abgesucht werden. Tiere verlassen durch das Anmähen die Flächen und Ricken können über Nacht ihre Kitze aus der Fläche führen. Diese Maßnahme entbindet nicht von der Absuche der gesamten Fläche unmittelbar vor der Mahd.

Mähen von innen nach außen

Seit vielen Jahren wird das Mähen von innen nach außen empfohlen. Diese Mähweise ermöglicht Wildtieren die Flucht durch noch ungemähten Aufwuchs nach außen. In einigen Bundesländern wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen und Bayern ist das Mähen von außen nach innen von Grünlandflächen ab einer Größe von einem Hektar – ausgenommen von stark hängigem Gelände - inzwischen verboten.
Bei schmalen und langen Parzellen kann auch von einer Seite zur anderen gemäht werden. Dabei sollte auf die Fluchtrichtung der Tiere, beispielsweise von Straßen weg, hin zum Wald, geachtet werden. Größere Schläge sollten am besten in Portionen gemäht werden.
Grundsätzlich sollte die Fahrtgeschwindigkeit reduziert werden, um Tieren die Flucht zu ermöglichen. Häufig gestaltet sich dies in der Praxis aufgrund von Zeitdruck als schwer durchführbar, sodass anderen Maßnahmen umso mehr Bedeutung zukommt.

Anpassen des Schnittzeitpunktes

Mit der Wahl eines möglichst frühen Schnittzeitpunktes vor oder bis zum Ähren- und Rispenschieben der Hauptbestandsbildner schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass Rehkitze in den wenig hohen Bewuchs gesetzt werden. Bei einem späten Schnittzeitpunkt nach dem 15. Juli sind die Rehkitze schon flüchtig. Wenn zwischen dem ersten und zweiten Schnitt mindestens sieben, besser acht Wochen liegen, haben bodenbrütende Wiesenvögel die Chance, ein zweites Gelege auszubrüten, falls das Gelege beim ersten Schnitt zerstört wurde.

Insektenschonend Mähen

Beim Mähen werden auch viele Insekten verletzt oder getötet. So sollte bei starkem Bienenflug das Mähen möglichst unterlassen werden. Das Mähen vor und nach dem täglichen Bienenflug oder bei bedecktem Himmel und kühleren Temperaturen verringert den Insektenverlust. Auch der Verzicht auf den Aufbereiter schont die Insektenwelt.

Anpassen der Schnitthöhe

Grundsätzlich gilt: Je höher die Schnitthöhe, desto geringer sind die Verluste bodennah lebender Kleinsäuger und Amphibien. Eine Schnitthöhe von mindestens 8 bis 10 Zentimetern rettet ihnen das Leben. Bei der Ernte der Ganzpflanzensilage verspricht die Begrenzung der Schnitthöhe auf etwa 15 bis 20 Zentimeter in der kritischen Aufzuchtzeit zusätzlichen Erfolg bei Rehkitzen, die sich instinktiv ducken, oder auch bei Bodenbrütern.

Einsatz geeigneter Mähtechnik

Die Mähwerk-Hersteller reagieren ebenfalls mit technischen Anpassungen. Zum einen gibt es Sensorbalken, die direkt am Frontmähwerk angebracht sind. Wenn der Sensor ein Kitz detektiert, gibt er ein Signal an die Mähwerkshydraulik, die unmittelbar darauf automatisch angehoben wird. Eine andere Variante ist ein Zwischenrahmen mit Sensorbalken. Hier wird ein Zwischenrahmen mit Sensor zwischen Schlepper und Frontmähwerk eingefügt. In der Arbeitsstellung ist er nach außen geklappt und erfasst die Arbeitsfläche des Heckmähwerkes oder, wenn nur mit einem Frontmähwerk gearbeitet wird, die nächste Schnittbahn. Beim Fund eines Kitzes erhält der Fahrer ein optisches und akustisches Signal und kann das Heckmähwerk anheben. Laut Herstellerangaben detektieren die Sensoren auch bei vollem Tageslicht und Sonne.

Spezielle Mähtechnik - wie Balkenmäher - kann ebenso helfen, die Wildtierverluste zu verringern. Außerhalb der Landschaftspflege ist der Einsatz von Balkenmäher jedoch begrenzt, da sie zum einen verstopfungsanfällig sind und zum anderen weniger Flächenleistung ermöglichen.

Forschungsprojekt: Reduktion von Mähtod bei Wildtieren – jetzt mitmachen!

Vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) gefördertes Projekt erforscht die Lebensraumnutzung von Wildtieren und die Effektivität von Wildtierrettungsmaßnahmen. Jäger, Landwirte, ehrenamtliche Wildtierretter und alle Interessierten können das Projekt durch Meldungen zu Wildtier- und Rehkitzfunden und zum Einsatz verschiedener Wildtierrettungsmaßnahmen aktiv unterstützen.

Weitere Informationen

Grundsätzlich gilt: Wo immer möglich, sollten mehrere Maßnahmen von der Vergrämung über die Suche bis zu Wildrettungstechnik direkt am Mähwerk eingesetzt und auch dokumentiert werden. Sollte es dennoch zu einem Wildunfall kommen, dient die Dokumentation auch der Beweissicherung.

Letzte Aktualisierung 15.10.2021