Schlaggrößen und Fruchtfolgen beeinflussen Insektenpopulation
Ökosysteme sind äußerst komplex. Alles hängt mit allem zusammen und Faktoren beeinflussen sich gegenseitig. So nehmen Schlaggröße und Fruchtfolge direkten Einfluss auf Lebensraum und Nahrungsgrundlage von Bestäubern. Ihr Flugradius ist begrenzt und reicht häufig nur wenige hundert Meter weit. Ohne bunte Blüteninseln werden große Schläge für heimische Wildbienen unüberwindbare Hindernisse. Nicht selten sind sie auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert und fungieren als Bestäuber bei deren Fortpflanzung.
Standort und Biodiversität
Eine mittlere Biomasse-Produktivität geht allgemein und weltweit mit großer Artenvielfalt einher. Typische Vertreter solcher Agrarflächen sind mitteleuropäische Grünlandregionen. Ökosysteme bringen hier ein hohes Maß natürlicher Serviceleistungen. Lässt in diesen Regionen der Artenreichtum nach, so sinkt auch die Leistungsfähigkeit ihrer Ökosysteme. Es gilt also, die Artenvielfalt der mitteleuropäischen Grünlandregionen zu erhalten. Andernfalls drohen, kostenlose Systemleistungen wie sauberes Grundwasser verloren zu gehen.
Auf hochproduktiven Standorten intensiver Landwirtschaft erobern wenige, leistungsfähige Arten wie Weizen, Gerste, Mais und Raps eine dominante Stellung. Für die Produktivität dieser hochleistenden Agrarflächen spielt die Artenvielfalt eine untergeordnete Rolle.
Kleinräumige Strukturen bewahren Biodiversität
Milchviehbetriebe in Grünlandregionen sind aus Effizienzgründen gehalten, ertragreiche, silierfähige Gräser anzubauen. Dies hat ursprünglich artenreiche Wiesen und Weiden auf Grünlandstandorten zurückgedrängt. Das Nahrungsangebot für Wildbienen und Hummeln wurde schmaler. Entsprechend geht bereits selten gewordenen Wiesenkräutern aus Mangel an Bestäubern "die Luft aus". Für die Biodiversität in Grünlandregionen werden Ackerrandstreifen, Wegränder, Böschungen und Gräben immer wichtiger. Denn kleinräumige Strukturen federn den Verlust der Arten ab.
In klein strukturierten Regionen verhindern vergleichsweise hohe Produktionskosten im Pflanzenbau hohe Gewinnspannen. Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsnaturschutz sind hier adäquate, alternative Erwerbsquellen. Anlagen und Erhalt artenreicher oder seltener Pflanzengesellschaften bieten sich vorzugsweise auf ertragsarmen Standorten, in Randlagen und auf schwer befahrbaren Flächen an.
Biologische Vielfalt steigert die Attraktivität ländlicher Räume
Maßnahmen für Artenvielfalt sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sie steigern auch die Attraktivität ländlicher Räume. Sofern sie klar erkennbar landwirtschaftlichen Betrieben zuzuordnen sind, werten sie das Image der Landwirtschaft am Ort auf. Davon können andere Standbeine einer betrieblichen Diversifizierung profitieren. Direktvermarktung sowie Angebote im Freizeitbereich oder im Tourismus gewinnen an Attraktivität.
Auf intensiv bewirtschafteten Agrarflächen empfehlen sich vorrangig Maßnahmen auf kleiner Fläche, wie Blühstreifen oder Lerchenfenster. Initiativen, wie die Stiftung Rheinische Kulturlandschaft mit ihrem Projekt "Summendes Rheinland", geben seit Jahren beispielhafte Anstöße, um die Artenvielfalt in Agrarlandschaften zu beleben. Unmittelbare Nutznießer sind selten gewordene heimische Tieraten und auch die Landwirtschaft selbst.
Quantitative und qualitative Wege zu mehr Artenvielfalt
Um Biodiversität nachhaltig zu sichern, fordern Ökologinnen und Ökologen, einen Flächenanteil von mindestens 10 Prozent aus der Produktion zu nehmen. Neben diesem quantitativen Ansatz zeigen qualitative Wege, wie Artenvielfalt wieder zu beleben ist. Entscheidend ist, dass Lebensräume und erreichbare Nahrungsangebote zusammenkommen. Lokale Ansatzpunkte finden sich auf Ackerflächen selbst, zum Beispiel durch Anlage von Lerchenfenstern oder Blühflächen. Auf Hofstellen und an Wegen bieten blühende Bäume, wie Linden, oder Sträucher, Streuobstwiesen und Bauerngärten Nahrungsquellen und Standorte für Artenbiotope.
Eh da-Flächen, also ungenutzte Offenlandflächen wie Straßen- und Wegbegleitflächen, Böschungen, Parkplätze und Dämme halten eine ungenutzte Flächenreserve. Ihr Flächenanteil liegt in Agrarlandschaften zwischen drei und acht Prozent. Luftbildaufnahmen und die teilautomatisierte Analyse geobasierter Daten schaffen eine Basis für lokale, wissensbasierte Maßnahmen. Innerhalb von Eh da-Flächen lassen sich Nahrungs- und Lebensräume vernetzen. Und die digital erfassten Flächen können einfach in Biotopverbände eingebunden werden. Eh da-Flächen bergen derzeit ein großes Potenzial für Biodiversität. Und sie konkurrieren nicht mit produktiven Ackerflächen.
Individuelle Betriebskonzepte für mehr Artenvielfalt
Um Biodiversität auf Agrarflächen optimal zu fördern, lassen sich verschiedene Ansätze auf Betriebsebene kombinieren. Daraus entwickelte "Agrarökosysteme" sind standortabhängig, komplex und wandlungsfähig. Sie sind deshalb schwer in Programme oder Gesetze zu fassen. Neben finanziellen Anreizen werfen soziale Aspekte wie Anerkennung und gesellschaftliche Wertschätzung ihr Gewicht in die Waagschale für Artenvielfalt auf dem Acker.
Jede Landwirtin und jeder Landwirt ist für seine Flächen verantwortlich. Der Stellenwert von Biodiversität steigt - ökologisch ausgerichtete Berater mit produktionstechnischem Verständnis können helfen, ein zugeschnittenes Betriebskonzept zu entwickeln.