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Resistenz gegen viröse Vergilbung in der Zuckerrübe – der Weg vom Labor aufs Feld Pflanzenzucht

Der Kampf gegen die viröse Vergilbung in Zuckerrüben: Wie Forscher am Institut für Zuckerrübenforschung in Göttingen neue Resistenzgene identifizieren, um den Anbau der wichtigen Nutzpflanze zu sichern. Erfahren Sie, welche innovativen Ansätze verfolgt werden und wie diese den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren können.

Die Resistenzzüchtung spielt eine entscheidende Rolle im präventiven Pflanzenschutz und bildet neben den Anbauverfahren sowie der Förderung natürlicher Gegenspieler, die Basis des integrierten Pflanzenschutzes.

Durch gezielte Züchtung von Pflanzen mit Resistenzen gegen Schädlinge und Krankheiten kann die Menge der applizierten Pflanzenschutzmittel erheblich reduziert werden. Dies ist im Hinblick auf die Reduktionsziele des chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes seitens der EU von großer Bedeutung. Die Innovationen und neuen Sorten, die durch die Züchtung resistenter Pflanzen entstehen, kommen auch der ökologischen Landwirtschaft zugute. Sie tragen hier zur Produktions- und Lebensmittelsicherheit bei, da in diesem Anbausystem wenig Wirkstoffe zur Verfügung stehen.

Die Grüne Pfirsichblattlaus ist der Überträger der virösen Vergilbung bei Zuckerrüben.
Quelle: Rollwage, IfZ

Die viröse Vergilbung von Zuckerrüben breitet sich seit 2019 in der gesamten EU aus und stellt eine große Herausforderung für den Rübenanbau dar. Bis zum Jahr 2024 sind noch keine Sorten auf dem Markt, die vollständig gegen die Vergilbungsviren resistent sind. Es gibt jedoch erste Sorten, die tolerant gegenüber der Krankheit sind. Aus diesem Grund konzentriert sich die Wissenschaft darauf, neue Resistenzgene zu identifizieren.

Symptomatik der virösen Vergilbung

Die Zuckerrübe (Beta vulgaris L. ssp. vulgaris) ist die wichtigste Quelle für die Zuckerproduktion in Deutschland und Europa. Etwa 20 Prozent der weltweiten Saccharoseproduktion erfolgt aus Zuckerrüben. Allerdings breitet sich seit dem EU-weiten Verlust der neonicotinoiden Saatgutbeizung im Jahr 2019 der Krankheitskomplex der virösen Vergilbung auf den Zuckerrübenfeldern aus. Auch wenn die Krankheitssymptome teilweise identisch sind, handelt es sich nicht um ein einzelnes Virus, sondern um bis zu vier verschiedene Spezies aus drei unterschiedlichen Virusfamilien.

Im Fall eines Krankheitsausbruches kann jedes Virus in einer Einzelinfektion oder in jeder möglichen Kombination als Mischinfektion auftreten und die entsprechenden Symptome verursachen:

Über mehrere Dekaden war die neonicotinoide Saatgutbeizung eine effektive Kontrollmaßnahme gegenüber der virösen Vergilbung. Die Krankheitskontrolle erfolgte indirekt, indem die Population der Grünen Pfirsichblattlaus (Myzus persicae), dem Hauptüberträger der virösen Vergilbung, im Zuckerrübenfeld verringert wurde. Diese Kontrollmöglichkeiten erwiesen sich als so effektiv, dass im Lauf der Jahre die viröse Vergilbung regelrecht in Vergessenheit geriet.

Als sich 2017 bereits ein Verbot der Neonicotinoide im Zuckerrübenanbau abzeichnete, war unklar, wie hoch der Ertragsverlust durch Vergilbungsviren für aktuelle Hochleistungsorten sein würde und wie ein möglicher Unterschied zwischen Sorten unter Feldbedingungen zu erfassen sei. Um Antworten hinsichtlich der Krankheitsverbreitung und Zusammensetzung zu finden, wurde bereits im Jahr 2017 das Projekt „New Yellows Control“ initiiert.

Projekt: New Yellows Control

Ziele:

- Monitoring-Aktivitäten zur Folgenabschätzung eines Neonicotinoid-Verbotes

- Untersuchung der potenziellen Ertragsverluste durch Vergilbungsviren in aktuellen Sorten

Versuchsansätze:

- Bestimmung der natürlich vorkommenden Viruspopulationen in wichtigen Anbauregionen für Zuckerrüben

- Entwicklung und Durchführung von Inokulationsversuchen mit M. persicae zur Bestimmung des Schadpotentials

Ergebnisse:

- Poleroviren und das „Beet yellows virus“ (BYV) konnten nahezu überall in Europa detektiert werden, mit starken Schwankungen der einzelnen Viren

- Ertragsverluste von bis zu 35 Prozent bei früher BYV-Infektion und bis zu 25 Prozent bei früher Polerovirus-Infektion

Die Kontrolle der Krankheit wird zusätzlich erschwert, da die restlich verbliebenen Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Pyrethroide und Carbamate/Organophosphate häufig zu Resistenzen in M. persicae geführt haben. So wurde deutlich, dass diverse Ansätze unter Berücksichtigung der „Farm2Fork“-Strategie und der damit verbundenen Ressourceneffizienz und Einsparung von chemischen Pflanzenschutzmitteln entwickelt werden müssen, um den Zuckerrübenanbau innerhalb der EU ohne Risiken für die Landwirtschaft beizubehalten.

Wie man eine Resistenz findet

Im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes ist die Krankheitsresistenz die erstrebenswerteste Maßnahme zur Krankheitskontrolle. Durch eine Resistenz kann oftmals vollständig auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden, was neben ökologischen Vorteilen auch finanziellen Mehrwert für die Betriebe mit sich bringt.

Aufgrund der Komplexität der virösen Vergilbung werden in diversen Projekten, die einzelnen Komponenten des Krankheitskomplexes detaillierter betrachtet.  Als Folge der Mannigfaltigkeit an Lösungsansätzen sollen hier zwei Projekte exemplarisch beleuchtet werden, die sich mit der Identifikation von Virusresistenz beschäftigen.

Bei dem Kooperationsprojekt „BetaKing“ zusammen mit der Universität Kiel und SESVanderHave sollen Resistenzen gegenüber BYV identifiziert werden. Dabei wird verstärkt auf klassische Identifikation von Resistenzgenen im Beta Genpool gesetzt.

Projekt: BetaKing

Ziele:

- Identifikation von Resistenzen in Wildressourcen des primären und sekundären (bspw. Beta maritima, Beta macrocarpa) Genpools der Rübe

Versuchsansätze:

- Inokulationsversuche mit 300 Genotypen mittels zuvor etablierter Feldtestes auf ihre Resistenzeigenschaft

- Genetische Charakterisierung resistenter Pflanzen

- Experimente zur Validierung durch Ausschalten der Kandidatengene

- Markerentwicklung zur markergestützten Selektion für die Einkreuzung in Elitematerial

Ergebnisse:

- Ausstehend

Inokulation des Versuchsfeldes zur Simulation des Krankheitdruckes im Feld.
Quelle: Rollwage, IfZ
Erfolgreiche Inokulation und deutliche Ausprägung von Symptomen.
Quelle: Rollwage, IfZ

Im Gegensatz dazu konzentrierte sich das Kooperationsprojekt „PoleroRes“ zusammen mit SESVanderHave auf eine gezielte Resistenzidentifikation gegen Poleroviren mit hauptsächlich molekularbiologischen Methoden. Der zuvor beschriebene „klassische Ansatz“ liefert diverse Vorteile wie etwa die direkte Möglichkeit der Einkreuzung aus dem evaluierten und potenziell resistenten Pflanzenmaterial.

Allerdings gibt es auch Nachteile, so ist das unspezifische Durchsuchen eines Genpools häufig arbeitsintensiv und durch die große Heterogenität des verwendeten Pflanzenmaterials wird meist nur auf dominant vererbte Merkmale selektiert. Dominant vererbte Resistenzen machen jedoch nur circa die Hälfte aller bisher beschriebenen Kontrollmechanismen gegenüber Pflanzenviren aus.

Die andere Hälfte entfällt auf die rezessive Resistenz, welche über einen Verlust der Anfälligkeit funktioniert und keine aktive Verteidigungsreaktion der Pflanze benötigt. Das Virus ist nicht mehr in der Lage sich innerhalb seines Wirtes zu vermehren, wenn spezifische Anfälligkeitsfaktoren, ausgeschaltet oder modifiziert werden. Die rezessive Resistenz kann somit nur in seltenen Fällen bei Wildgenotypen adressiert werden.

Projekt: PoleroRes

Ziele:

- Identifikation einer rezessiven Resistenz gegenüber den Poleroviren, „Beet chlorosis virus“ (BChV) und „Beet mild yellowing virus“ (BMYV) über Interaktionsmechanismen zwischen Pathogen und Wirt

Versuchsansätze:

- Poleroviren sind für die Herstellung ihrer eigenen Proteine auf Proteine ihres Wirtes angewiesen, eine gestörte Interaktion kann die Infektion hemmen

- Ausschaltung von Kandidatengenen für die Interaktion mittels neuer genomischer Züchtungstechniken (CRISPR/Cas) für den Machbarkeitsnachweis

Ergebnisse:

- Für BChV konnte ein Anfälligkeitsfaktor erfolgreich ausgeschaltet werden, ohne dass die daraus resultierenden Pflanzen Wachstumsbeeinträchtigungen aufwiesen

- Für BMYV war dieses Vorgehen bisher noch nicht erfolgreich, jedoch sind die Laborergebnisse vielversprechend

Integration der Forschung in die Praxis

Die Ergebnisse aus den beiden Projekten haben unterschiedliche Anwendungsgrade in der Praxis. Im Projekt „BetaKing" können Genotypen mit potenziellen Resistenzeigenschaften direkt eingekreuzt werden, während dies bei den in „PoleroRes" identifizierten Anfälligkeitsfaktoren nicht möglich ist.

Obwohl der Resistenzmechanismus über BChV-Anfälligkeitsfaktoren die erste Beschreibung einer Kontrollmöglichkeit von den Verursachern der virösen Vergilbung in Zuckerrübe ist, so ist der Weg zur vollständig resistenten Sorte noch weit. Mit der aktuellen Gesetzgebung zur Genomeditierung bieten die aktuellen Forschungsergebnisse einen spezifischen Genort, an dem nach natürlichen Variationen des Genes gesucht werden kann, die keine Interaktionen mehr mit dem Virus aufweisen.

Sollten entsprechende natürliche Varianten des Gens gefunden werden, so muss dies aktuell noch mit langwierigen Verfahren in Elitematerial eingekreuzt werden und ist häufig mit negativen Ertragseffekten verbunden. Trotzdem ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen, da nun erste Genorte bekannt sind, die für eine Resistenz verwendet werden können und in Zukunft ihren Beitrag zur Bekämpfung der virösen Vergilbung leisten können.

Letzte Aktualisierung 08.03.2024

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