Die Modellregion „Nachhaltige Nutztierhaltung Südniedersachsen“ hat Wege aufgezeigt, wenn man in ackerbaulich geprägten Regionen nachhaltige und tiergerechte Tierhaltungen mit einer regionalen Vermarktung aufbauen möchte. Die Ergebnisse der ersten Projektphase machen jedoch auch deutlich, dass es Hindernisse auf dem Weg dahin gibt.
„Der Aufbau einer Nutztierhaltung mit entsprechend hohem Kapitaleinsatz kann nur erfolgen, wenn die daraus entstehenden Produkte gewinnbringend vermarktet werden können“, sagt Anna-Marie Bürger. „In vielen Bereichen der Nutztierhaltung ist dies aktuell aber kaum kostendeckend möglich.“ So gebe es derzeit eine Vielzahl von Hemmnissen und Planungsunsicherheiten. Dazu zählen starke Preis- und Kostenschwankungen, Unsicherheiten im Bau-, Umwelt- und Emissionsschutzrecht und eine verbrauchergerechten Kennzeichnung der Produkte.
Die zentrale Frage für die Modellregion lautet daher: „Wie können Produkte vermarktet werden, die erst mit einem Vorlauf von mehreren Jahren und zu einem höheren Preis verfügbar sind?“ Diese Henne-Ei-Problematik sei eine große Herausforderung in der Vermarktung, so Bürger.
Regionale Vermarktung von Freiland-Hähnchen
Für die Modellregion haben sich auch einige aussichtsreiche Möglichkeiten ergeben. Gemeinsam mit einem Landwirt und zwei Abnehmern wurde zum Beispiel eine Kooperation aufgebaut, bei der Freiland-Hähnchen regional an zwei große Abnehmer mit jeweils mehreren Mensen vermarktet werden.
„Landwirt und Abnehmer sind dabei Partner. Schlachtung, Verarbeitung, Lagerung und Logistik werden von Dienstleistern aus der Region übernommen“, sagt Bürger. „So wird der Landwirt zum Hauptakteur und kann nicht einfach ausgetauscht werden.“
Zur Frage der Verwertung ganzer Tiere hätten die beiden Abnehmer eine Lösung gefunden, die einfach, aber nachhaltig sei: „Sie teilen sich die Teilstücke wochenweise auf. In der einen Woche bekommt ein Abnehmer Hähnchenschenkel und der andere Abnehmer Hühnerfrikassee und in der nächsten Woche geht es andersherum.“
Aufbau von neuen Tierhaltungen erfordert anderswo einen Abbau
Sollte mittel- bis langfristig ein Aufbau von nachhaltigen Tierhaltungssystemen in ackerbaulich geprägten Regionen funktionieren, stellt sich in logischer Konsequenz eine weitere Frage: Wie kommt man in den viehstarken Gebieten zu einem Abbau der Tierzahlen?
Wie man an den Tierhaltungszahlen der vergangenen Jahre sieht, ist dieser Abbau bereits in vollem Gange. In Niedersachsen ist die Zahl der gehaltenen Schweine im Jahr 2022 um neun Prozent und in NRW um mehr als acht Prozent zurückgegangen. Über 300 Betriebe haben in NRW innerhalb eines Jahres aufgegeben, in Niedersachen stellten im gleichen Zeitraum etwa 500 Betriebe die Haltung von Schweinen ein. In Niedersachsen hat sich die Zahl der Schweinehalterinnen und -halter in den letzten zehn Jahren sogar halbiert.
Um einem „ungeordneten Strukturbruch“ entgegenzuwirken, bei dem immer mehr Schweinehalterinnen und Schweinehalter den Betrieb ganz einstellen, möchte die niedersächsische Landesregierung Tierhaltungsbetriebe dabei unterstützen, neue Betriebszweige zu erschließen. Entsprechende Ideen dafür legt sie im „Zukunftsprogramm Diversifizierung“ für die Schweinehaltung vor. Danach soll der Einstieg in andere landwirtschaftliche oder der Landwirtschaft vor- bzw. nachgelagerte Bereiche erleichtert werden.