Hier beginnt der Hauptinhalt dieser Seite

Agroforstsysteme und ihr Potenzial zur Förderung des Bodenlebens Agroforstwirtschaft und Bodenleben

Sie sind klimaangepasst und leisten einen Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels. Aber was können Agroforstsysteme noch? Dr. Anna Vaupel und Prof. Dr. Lukas Beule vom Fachbereich Forschung und Entwicklung des Deutschen Fachverbands für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V. zeigen auf, welche Vorteile Agroforstwirtschaft für das Leben in unseren Böden hat.

Alley Cropping Systeme mit Wertholz/Schalenobst nahe Kraichtal, Baden-Württemberg.
Bild: Anna Vaupel, JKI-ÖPV Berlin

Agroforstsysteme kombinieren Gehölze mit Kulturpflanzen und/oder Tierhaltung auf einer Fläche und bieten eine Vielzahl an Umweltvorteilen. 

Die räumliche Ausgestaltung des Systems und die Auswahl der integrierten Gehölze, Kulturpflanzen und Tiere sind häufig an den Standort sowie die betrieblichen Rahmenbedingungen und Bedürfnisse angepasst, weshalb sich hinter dem Regenschirmbegriff „Agroforst“ eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme verbirgt. In Deutschland sind derzeit vor allem silvoarable Systeme, d.h. eine Kombination von Gehölzen mit Ackerkulturen, im Fokus der Forschung.

Silvoarable Systeme sind oftmals streifenförmig angelegt, dabei wechseln sich Gehölz- und Ackerstreifen ab, auch bekannt als Alley Cropping. Diese Systeme nutzen meist Gehölze für die energetische Nutzung im Kurzumtrieb (beispielsweise Pappel), die Erzeugung von Schalenobst (wie Obst und Nüsse) und/oder Wertholz (z. B. Kirsche, Walnuss).

Mähdrescher in einem Kurzumtrieb-Agroforstsystem mit Pappelstreifen vom Gut Neu Sacro, Brandenburg.
Bild: Christian Böhm, DeFAF e.V.
Am Gladbacherhof, dem Lehr- und Versuchsbetrieb der Justus-Liebig-Universität Gießen, wurden drei Agroforstsysteme angelegt.
Bild: Eva-Maria Minarsch, Justus-Liebig-Universität Gießen

Silvopastorale Agroforstsysteme kombinieren Tierhaltung mit Gehölzen. Dazu werden beispielsweise Obst- und Wertholzbäume oder auch Futterlaubhecken angepflanzt. Silvopastorale Systeme fördern das Tierwohl, in dem sie das Mikroklima verbessern und durch Schattenwurf die Tiere vor Hitze schützen.

Agroforstsysteme können auch mit Tierhaltung kombiniert werden, wie hier die Entenmast in Pappelstreifen.
Bild: Julia Günzel, DeFAF e.V.
Agroforstsystem mit Wertholz auf einer Weide des Seibertsweilerhofs, Bayern.
Bild: Tobias Hoppe, Bioland Praxisforschung GmbH

Agroforstsysteme als Landnutzungssysteme

Aufgrund ihrer vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten sowie ihrer Umweltvorteile werden Agroforstsysteme häufig als multifunktionale Landnutzungssysteme beschrieben, weil sie gleichzeitig eine hohe Vielfalt an nützlichen Funktionen bereitstellen (Veldkamp et al. 2023). Eine bereits gut untersuchte, zentrale Funktion silvoarabler Agroforstsysteme ist ihr Beitrag zum Schutz unserer Ackerböden. Ein gesunder Boden zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er als lebendiges Ökosystem funktioniert und seine essentiellen Funktionen aufrechterhält. Dazu zählt unter anderem die Produktion von Biomasse, die Bereitstellung von Nährstoffen für Pflanzen und die Speicherung von Wasser. 

Die Anzahl, Vielfalt und Aktivität von Bodenorganismen bilden einen integralen Bestandteil eines gesunden Bodenökosystems mit regulierender Wirkung auf die Bodenfunktionen. Geschätzt beherbergen Böden circa 59 Prozent aller Arten unseres Planeten, teilweise aber nur in bestimmen Lebensabschnitten der Organismen (Anthony et al. 2023). Jedoch sind die Böden und ihre Bewohner oftmals mehreren Herausforderungen zeitgleich ausgesetzt. Beispiele dafür sind Erosion, Belastung mit Schwermetallen und Pflanzenschutzmitteln, Missmanagement wie Bodenverdichtung oder auch Wetterextreme. Daher ist ein Beitrag zum Bodenschutz auch ein Beitrag zum Schutz der Biodiversität. Was kann die Agroforstwirtschaft zum Schutz von auf und im Boden lebender Organismen beitragen?

Förderung oberirdisch lebender Nützlinge

Alley Cropping Systeme mit Pappel nahe Dornburg, Thüringen. Die Baumstreifen bieten zahlreichen Spinnen-Arten und anderen Lebewesen einen Lebensraum.
Bild: Anna Vaupel, JKI-ÖPV Berlin

Spinnen zählen aufgrund ihrer Fähigkeit zur natürlichen Schädlingskontrolle zu einer der wichtigsten Gruppen von Nützlingen in Agrar-Ökosystemen. Sie können gefördert werden, indem möglichst natürliche Lebensräume in der Landschaft geschaffen werden. 

Eine aktuelle Studie zeigt, dass der Artenreichtum an Spinnen in streifenförmigen Agroforstsystemen nahe der Baumstreifen höher ist, als in den dazwischenliegenden Ackerstreifen. In den angrenzenden Vergleichsflächen ohne Bäume war die Artenvielfalt der Spinnen ebenfalls geringer als im Agroforstsystem (Matevski et al. 2024). Im Vergleich zum offenen Acker ohne Bäume wiesen die Agroforstsysteme nicht nur eine höhere Anzahl an Spinnen auf, sondern auch eine veränderte Zusammensetzung der Spinnengemeinschaft. 

Die zunehmende Vielfalt und Anzahl an Spinnen in der Nähe der Baumstreifen deutet darauf hin, dass die Spinnen ein hohes Potenzial zur natürlichen Schädlingskontrolle in Agroforstsystemen haben. 

Die Förderung von Spinnen durch Agroforstwirtschaft ist in erster Linie auf das verbesserte Lebensraum-Angebot in den Baumstreifen, vor allem zur Überwinterung, zurückzuführen (Boinot et al. 2019). Die Baumstreifen werden nicht nur von Spinnen, sondern auch von Asseln, Ameisen, Marienkäfern und Weberknechten zur Überwinterung genutzt. Im Gegensatz dazu überwintern Schädlinge bevorzugt in den Ackerstreifen (Boinot et al., 2019). Dies deutet darauf hin, dass Agroforstsysteme als Lebensraum für eine Vielzahl nützlicher Organismen dienen. Dadurch können auch ihre für die Landwirtschaft nützlichen Funktionen gefördert werden. Denn: Umso mehr Nützlinge auf der Ackerfläche sind, desto besser funktioniert die natürliche Schädlingskontrolle.

Regenwürmer profitieren

Tauwurm (Lumbricus terrestris) im Baumstreifen eines Alley Cropping Systems mit Pappel nahe Dornburg, Thüringen.
Bild: Anna Vaupel, JKI-ÖPV Berlin

Auch Regenwürmer haben eine Vielzahl wichtiger Funktionen für die Landwirtschaft. Sie können beispielsweise durch ihr Röhrensystem die Fähigkeit des Bodens zur Wasserinfiltration verbessern und verdauen große Mengen an Boden, wodurch Nährstoffe freigesetzt und folglich die Bodenfruchtbarkeit erhöht wird.

Während intensive Bewirtschaftung, insbesondere wendendes Pflügen, die Anzahl und Artenvielfalt an Regenwürmern in Ackerflächen reduziert, kann die Etablierung von dauerhaften Baumstreifen auf Äckern helfen, Regenwurm-Gemeinschaften zu fördern. Forschende des Julius Kühn-Instituts konnten zeigen, dass die Baumstreifen von Agroforstsystemen deutlich mehr Regenwürmer beherbergen als die angrenzenden Ackerstreifen (Vaupel et al. 2023). Die positiven Effekte der Bäume für manche Regenwürmer sind bis in die Getreidereihen hinein messbar.

Insbesondere streuschicht-bewohnende Regenwurmarten wie der Braune Laubfresser (Lumbricus castaneus), die auf gepflügten Ackerflächen nur selten vorzufinden sind, werden durch Agroforstsysteme gefördert. Die Bodenruhe innerhalb der Baumstreifen, das verbesserte Futterangebot durch die Laubstreu und die Baumwurzeln sowie ein verbessertes Mikroklima innerhalb des Agroforsts sind vermutlich die wichtigsten Gründe für die Förderung der Regenwurmgemeinschaften.

Einfluss von Agroforstsystemen auf das Bodenmikrobiom

Auch die Gemeinschaft von Mikroorganismen im Boden, das Bodenmikrobiom, wird durch die Etablierung von Gehölzen auf Äckern beeinflusst. Es konnte bereits mehrfach gezeigt werden, dass die Anzahl der im Boden lebenden Bakterien und Pilze durch die Gehölzstreifen erhöht wird. Dabei profitieren Pilze oftmals stärker als Bakterien von Agroforst (Beule et al. 2022). Zwar finden sich in den Gehölzstreifen von Agroforstsystemen nicht unbedingt mehr Arten, doch unterscheidet sich die Artenzusammensetzung des Bodenmikrobioms der Gehölzstreifen stark von dem der Ackerreihen (Beule et al. 2022). Die Veränderung der Zusammensetzung des Mikrobioms unter den Gehölzen erhöht nicht nur die Vielfalt des gesamten Systems, sondern spiegelt sich auch in den Funktionen des Mikrobioms wieder. 

So können beispielweise die mikrobiellen Gemeinschaften in den Gehölzen schneller ein breiteres Spektrum an Substraten wie Zucker und Aminosäuren abbauen als jene in den Ackerreihen. Dies deutet auf eine höhere Vielfalt der Funktionen des Mikrobioms hin (Beuschel et al. 2019). Ähnlich wie für Regenwürmer ist davon auszugehen, dass vor allem die ausbleibende Bodenbearbeitung und der Eintrag an Laubstreu das Bodenmikrobiom fördern.

Schlussfolgerungen

Agroforstwirtschaft kann dazu beitragen, die Anzahl und Vielfalt der Bodenlebewesen auf Ackerschlägen zu erhöhen. Die Förderung von Regenwürmern, Spinnen, Mikroorganismen und Co. kann wiederum positive Effekte auf wichtige Ökosystemfunktionen, wie zum Beispiel die Infiltrationsfähigkeit des Bodens und die natürliche Schädlingskontrolle, nach sich ziehen. Da ein gesunder Boden als ein lebendiges Ökosystem funktioniert, stellt Agroforst einen möglichen Ansatz zum Erhalt und Verbesserung der Bodengesundheit dar, insbesondere auf intensiv genutzten Böden.

Projekte

Letzte Aktualisierung 01.09.2025

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Informationsangebote