In Zukunft werden der biologische Pflanzenschutz, aber auch klassische ackerbauliche Instrumente an Bedeutung gewinnen.
Unter Fungiziden, Insektiziden wie Herbiziden bleibt die Zahl der Wirkmechanismen und damit die Zahl ihrer Wirkungsgruppen überschaubar. Forschung und Entwicklung von Herbiziden spüren schon seit über 30 Jahren keine zusätzlichen Zielorte in Unkrautpflanzen auf. Alle in den letzten Jahrzehnten eingeführten Getreideherbizide stammen aus bereits bekannten Wirkungsgruppen.
Ein Innovationsschub, der Stoffe mit neuen Wirkmechanismen bereithält, steht nicht bevor. Wie etwa bei fungiziden Carboxamiden, werden zwar neue Wirkstoffe innerhalb bekannter Wirkungsgruppen gefunden. Allerdings drohen bewährte Mittel und Verfahren, wie schon die neonicotinoiden Beizen im Raps, ihre Zulassung zu verlieren. Darüber hinaus entwickeln Schadorganismen immer häufiger Resistenzen, die sich in intensiv geführten Ackerbauregionen schnell verbreiten. In dieser Situation ist die Landwirtschaft gefragt, pflanzenbauliche und phytosanitäre Schaltstellen zu überdenken; auch mit dem Ziel, eine Bandbreite wirkungsvoller chemischer Pflanzenschutzmittel für die Zukunft zu erhalten.
Resistenzbildung
Populationen von Pflanzen oder tierischen Schaderregern sind in der Lage, sich im Laufe von Genrationen an neue Umweltbedingungen anzupassen. Resistenzen liegen zunächst als natürliche und vererbbare Fähigkeit einzelner Individuen einer Schaderregerpopulation vor. Denn regelmäßig überstehen einzelne Organismen eine chemische Behandlung und geben ihre Erbinformationen weiter. Wiederholen sich Umweltbedingungen, wie durch den Einsatz gleicher Wirkstoffe, werden Individuen mit resistenten Eigenschaften selektiert. In der Folge setzen sie die Empfindlichkeit ganzer Populationen gegenüber dem jeweiligen Mittel der Wahl mehr und mehr herab.
Resistenzbildung ist damit eine natürliche Antwort auf eine veränderte Umwelt. Mittlerweile haben sich in Deutschland sehr viele unterschiedliche Resistenzen gegenüber Herbiziden, Fungiziden und auch Insektiziden entwickelt.
Veränderte Zulassungssituation
Mit der Verordnung EG 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ist die EU vom Prinzip der risikobegründeten Zulassung weggegangen und stattdessen zu einer gefahrenbezogenen Beurteilung von Pflanzenschutzmitteln übergegangen. Bewertet wird mittlerweile das Gefährdungspotenzial des reinen Wirkstoffs. Anwendungstypische Begleitumstände wie Formulierung, Konzentration oder Anwendungsauflagen treten in den Hintergrund. Außerdem gelten sogenannte Cut-off- Kriterien, das heißt Ausschlusskriterien. Wirkstoffe, die entweder giftig sind, sich in der Umwelt anreichern oder sich negativ auf den Hormonhaushalt auswirken, finden keinen Platz mehr auf der Annex-1-Listung für eine EU-Genehmigung. Sie werden also entweder gestrichen oder bei erneuter Prüfung nicht mehr aufgenommen. Diese neue Regelung ist besonders für hormonell wirksame Substanzen, kurz ED (Endokrine Disruptoren), noch stark umstritten.
Außerdem sollen nach Vorgabe der Verordnung, Wirkstoffe mit schädlichen Eigenschaften ersetzt werden. Und zwar dann, wenn andere Produkte oder Wirkstoffe von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) günstiger beurteilt werden. Die so ermittelten Kandidaten für eine Substitution verschwinden vom Markt, werden nur verkürzt zugelassen oder erhalten Auflagen für ihre Anwendung. Dieses Verfahren betrifft Altwirkstoffe wie zum Beispiel die Fungizid-Gruppe der Azole und trifft auch wichtige Herbizide. Auf welche Wirkstoffe die Praxis in Zukunft verzichten muss, steht noch nicht fest. Damit Resistenzmanagement möglich bleibt, sollen für alle Befallssituationen Mittel aus mindestens drei Wirkungsgruppen verfügbar bleiben.