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Bewässerungsfragen im Weinbau Wassermanagement für Wein

Können kluge Wassermanagementstrategien den Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem hervorragenden Jahrgang ausmachen? In unserer Forschungsübersicht beleuchten wir die oft umstrittenen Fragen zur Bewässerung im Weinbau. Wir zeigen anhand ausgewählter Forschungsprojekte, welchen Weg Fachleute der angewandten Forschung als zukunftsfähig betrachten.

Drei edle Weingläser stehen auf einem Weinfaß. Ein Glas voller Rotwein, Weißwein und Rosé. Im Hintergrund sind Reben.
Deutscher Wein ist weltweit angesehen.
Bild: Rostislav Sedlacek - stock.adobe.com

Die Wasserversorgung im Weinbau war schon immer von zentraler Bedeutung. Für physiologische Prozesse in der Pflanze ist Wasser essentiell und wirkt sich auf das Gleichgewicht des Säure-Zucker-Gehalts aus. Dieser ist einer der wichtigsten Faktoren für die Weinqualität. Für eine ausreichende Versorgung der Rebe mit Wasser sorgte bis vor wenigen Jahren die Natur nahezu allein. Das bedeutet, Winzerinnen und Winzer in Deutschland konnten bisher darauf vertrauen, dass es aufgrund der natürlichen klimatischen Gegebenheiten ein Gleichgewicht zwischen Niederschlägen und Trockenperioden gab. Das Ergebnis waren hochwertige und unverwechselbare Weine aus verschiedenen Anbaugebieten.

Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau

Dieses natürliche Gleichgewicht gerät mit der Klimaveränderung immer mehr aus den Fugen. Die Durchschnittstemperaturen steigen in allen Jahreszeiten. Es gibt Phasen extremer Trockenheit und ungleich verteilter Regenfälle. Auch Extremwetterereignisse treten auf. Die Folgen für den Weinbau sind gewaltig:

  • Qualitativer Ertrag: Unter anderem verändert sich der Zucker-Säuregehalt, was besonders bei Weißwein zu Einbußen führt.
  • Quantitativer Ertrag: Ohne zusätzliche Bewässerung kann es Verluste geben.
  • Wachstum junger Pflanzen: Ohne zusätzliche Bewässerung leiden junge Pflanzen mit einem kleinen Wurzelsystem besonders unter Trockenstress.
  • Bodengefüge und Wasserhaltefähigkeit: Ohne Begrünungsmaßnahmen steigt die Gefahr von Erosion und der Boden verschlechtert sich.
  • Frostgefahr: Die allgemeine Frostgefahr nimmt im Winter ab, weil es weniger Eis- und Frosttage gibt. Gleichzeitig steigt die Gefahr von Spätfrost im Frühjahr, weil die Pflanzen früher austreiben.
  • Ungeahnte Folgen: Es ist zu erwarten, dass der Weinbau noch weitere, bisher unbekannte Auswirkungen erleben wird.

Zusätzliche Bewässerung ja oder nein?

Außerhalb Europas bewässern Winzerinnen und Winzer 82 Prozent der Anbauflächen zusätzlich mit Wasser. In Europa liegt die Quote derzeit bei etwa 10 Prozent. In Deutschland ist die Frage nach zusätzlicher Bewässerung der Weinreben im internationalen Vergleich daher relativ neu

Unter im Weinbau Tätigen gehen die Meinungen stark auseinander. Einige argumentieren, dass die Reben anpassungsfähig sind. Sie sagen, eine zusätzliche Bewässerung verfälsche die regional einzigartigen Aromen des Weins zu sehr. Andere Winzerinnen und Winzer betonen hingegen die Notwendigkeit zusätzlicher Bewässerung. Ihrer Meinung nach ist sie wichtig, um langfristig erfolgreich Weinbau zu betreiben.

Was meint die Forschung?

Ein Blick auf die Forschung zeigt eine klare Antwort. Experten wie Dr. Wolfgang Patzwahl weisen darauf hin, dass die Ausprägungen des Klimawandels – Durchschnittstemperaturen, Trockenperioden und Extremwetterereignisse – in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen. Die oben genannten Folgen für den Weinbau werden sich dadurch weiter verschärfen.

Zusätzliche Bewässerung kann helfen, viele dieser Folgen abzumildern. In Forschungs- und Modellprojekten stehen daher mehrere Aktivitäten im Fokus. Dazu gehört die Implementierung von Wasserspeichern. Auch die Entwicklung von Technologien, die den exakten Wasserbedarf ermitteln, wird vorangetrieben. Weitere Forschungsvorhaben befassen sich mit der Verbesserung von Bewässerungstechniken und der Schaffung digitaler Helfer für die Praxis. 

Angewandte Forschung erarbeitet Lösungswege

Alle Projekte haben das gleiche Ziel: Sie wollen Strukturen schaffen, um Niederschläge möglichst in den Anbaugebieten zu halten und effizienter nutzen zu können. Die folgende Auswahl an Projekten unterstreicht die hohe Relevanz der angewandten Forschung, weil sie praxistaugliche Maßnahmen erprobt und zugänglich macht:

Einen zuverlässigen digitalen Helfer für Winzerinnen und Winzer zu entwickeln ist Ziel des Verbundprojektes „Effiziente Bewässerung im Obst- und Weinbau“ (EBOW). Eine bedienfreundliche App soll über Push-Nachrichten zum richtigen Zeitpunkt und zur exakt benötigten Wassermenge der Pflanzen informieren. Der kostenfreie Service dient auch dazu, künftig alle Bewässerungsleistungen zu dokumentieren. Diese Funktion könnte im Hinblick auf die mögliche Einführung von Nachweispflichten zu verbrauchten Wassermengen eine bedeutende Rolle spielen. Aktuell wird die App bereits im Gemüseanbau erfolgreich genutzt. Ziel des bis 2027 andauernden Forschungsvorhabens ist nun, den Anwendungsbereich auf Obst- und Weinbau zu erweitern. Weiterführende Informationen zum Projekt gibt es auf der Internetseite der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG).

Bei „EBOW“ handelt es sich um ein Verbundprojekt unter der Mitwirkung der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e.V. (ALB), der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim (LWG), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Hochschule Geisenheim University (HGU) und des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz (DLR). Finanziert wird das Vorhaben durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Ein Wassersilo zur Zwischenspeicherung am Thüngersheimer Scharlachberg.
Bild: Dr. Daniel Heßdörfer, LWG

Das hohe Potential im Zusammenspiel von modernster Technik und natürlichen Gegebenheiten wird aktuell im Gebiet Franken erprobt. Hier wird in abflussreichen Zeiten Oberflächenwasser mit Hilfe von Wasserspeichern zurückgehalten. In Trockenperioden wird das gespeicherte Wasser mittels effizienter Bewässerungssysteme den Rebstöcken zugeführt. Die Installation von Wasserspeichern, digitaler Sensortechnik und Infrastruktur für die Wasserverteilung erfolgt in drei Projektgebieten in Franken:

  1. Iphofen
  2. Nordheim und Sommerach
  3. Oberschwarzach

Hintergrundinformationen zu den drei Pilotprojekten sind im Konzeptpapier mit dem Titel „Wassernutzung nachhaltig gestalten – von der Quelle bis zum Tropen am Stock“ zusammengefasst.

Dr. Daniel Heßdörfer stellt das Konzeptpapier dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) für eine Veröffentlichung zur Verfügung. Heßdörfer arbeitet bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim (LWG). Dort ist er Leiter des Arbeitsbereiches Forschungskoordination und Projektmanagement am Institut für Weinbau und Oenologie. Die LWG ist maßgeblich an der Durchführung der drei Pilotprojekte in Franken beteiligt.

Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt, um seine Rebflächen zu bewässern und somit vor Trockenstress zu bewahren? Aktuell wird dieser Frage auf dem Weingut Schloss Proschwitz in Sachsen nachgegangen. Getestet wird hier das Zusammenspiel zwischen modernsten Sensorsystemen und einem Simulationsmodell. Eine präzise und praxisnahe Vorhersage von drohendem Trockenstress während der Vegetationsperiode soll so erreicht werden. Das Hauptziel lautet: Eine bessere Planung von Bewässerungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen im Betrieb. Das Forschungsvorhaben zum Trockenstress ist Bestandteil des Verbundprojektes EXPRESS (Experimentierfeld zur datengetriebenen Vernetzung und Digitalisierung in der Landwirtschaft). Mehr Informationen finden Sie auf der Internetseite des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung sowie auf der offiziellen  EXPRESS-Internetseite.

EXPRESS wird durch das Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität Leipzig koordiniert und gemeinsam mit dem Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW), dem Helmoltz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und dem Institut für Mikroelektronik und Mechatronik-Systeme durchgeführt. Als landwirtschaftliche Akteure nehmen an EXPRESS bislang Obstland Dürrweitzschen AG, Weingut Schloss Proschwitz, Prinz zur Lippe GmbH & Co.KG, Agricon GmbH und Biofrucht Senst teil.

Als akdamische Partner am Teilprojekt zum Trockenstress sind ebenso die Hochschule Geisenheim University, das Lehr- und Versuchszentrum Gartenbau Erfurt sowie das Institut für Züchtungsforschung an Obst des Julius Kühn-Instituts (JKI) beteiligt.

VINAQUA-Wassermanagementsystem: Strahlkraft bis heute

Im Weinanbaugebiet Franken startete 2009 das Projekt VINAQUA-Wassermanagementsystem in Volkach an der Mainschleife. Das Pilotprojekt bediente sich dem Prinzip Oberflächenwasser aufzufangen, zu speichern und dem Weinberg zurück zu führen. Dadurch wurde die Wasserverfügbarkeit gesteigert und eine Umstellung des Bewirtschaftungssystems realisiert. Das führte zu einer Rebfläche, die ganzjährig und ganzflächig begrünt war. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten folgende positive Effekte:

  • Das Bodengefüge verbesserte sich. Auch die Infiltrationsrate im Oberboden stieg.
  • Die Bodenerosion wurde reduziert.
  • Die Feldkapazität in den Bodenhorizonten erhöhte sich um bis zu 23 Prozent.
  • Sowohl Ertragsmenge als auch -qualität stiegen.

Die Umrüstung der Ableitungssysteme ermöglichte das Sammeln von Oberflächenwasser. Das diente auch dem präventiven Hochwasserschutz der Kommune. Überhaupt bündelte das Projekt die Interessen aller Projektakteure: Wasserwirtschaft, Trinkwasserversorger, Winzerschaft und Kommune. Deshalb verliert das Projekt bis heute nicht seine Strahlkraft – es zeigt, was möglich ist, wenn alle Akteure gemeinschaftlich zusammenarbeiten und Synergien genutzt werden. Weitere Hintergrundinformationen zum Projekt können auf der Internetseite zu VINAQUA nachgelesen werden.

Die Informationen zum Projekt „VINAQUA-Wassermanagementsystem“ stammen von Dr. Wolfgang Patzwahl. Patzwahl leitet das Büro für Technik und Management im Wein- und Gartenbau (BTW) und ist Experte auf dem Gebiet Wassermanagement. Hintergrundinformationen zu Patzwahl erhalten Sie auf dieser Internetseite.

BZL-Beratertagung 2024: "Gewässerschutz und Wassermanagement"

Ausblick

Bewässerungsfragen im Weinbau sind komplex und erfordern sowohl wissenschaftliches Wissen als auch praktische Erfahrung. Mit den richtigen Strategien können Winzerinnen und Winzer nicht nur die Wasserressourcen optimal nutzen, sondern auch die Qualität ihrer Weine nachhaltig verbessern. Zukünftige Forschungen und Innovationen sind entscheidend, um auf die Herausforderungen des sich verändernden Klimas zu reagieren und die Weinbauproduktion nachhaltig zu sichern.

Die fachliche Grundlage für die vorliegende Ausarbeitung liefert das Werk „Wassermanagement und Bewässerung im Weinbau“ von Dr. Wolfgang Patzwahl (Ausgabe 2023). Des Weiteren wurden Experteninterviews mit Patzwahl, Heßdörfer und Mitarbeitenden des Deutschen Weinbauverband e.V. (DWV) geführt. Das BZL dankt allen Beteiligten für die freundliche Unterstützung.

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Letzte Änderung dieser Seite am 07.02.2025