Hier beginnt der Hauptinhalt dieser Seite

Biomassenutzung von Knicks: Wie kann man den Holzertrag schätzen? Erzeugung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz

Im Rahmen des EIP-Projekts „Nachhaltige Biomassenutzung“ wurden Methoden getestet, mit denen der Holzertrag von Wallhecken (Knicks) noch vor der Ernte ermittelt werden kann.

Rund 46.000 Kilometer Knicks, meist gesäumt von Gräben, kennzeichnen die Landschaft in Schleswig-Holstein.
Bild: Landpixel.de

Wallartige Baum- und Strauchhecken, sogenannte Knicks, prägen seit 200 Jahren das Bild der Kulturlandschaft in Schleswig-Holstein. Als lebende Zäune dienen sie der Einfriedung und Abgrenzung einzelner Felder oder ganzer Betriebe. Darüber hinaus übernehmen Knicks im waldarmen Schleswig-Holstein wichtige Boden- und Klimaschutzfunktionen: Sie schützen vor Bodenerosion sowie vor Schnee- und Sandverwehungen, sie dienen dem Weidevieh als Witterungsschutz und sie bieten zahlreichen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Zusätzlich liefern Knicks Biomasse.

Knicks sind zwar schön anzusehen, doch sie machen ihren Eigentümern, den Landwirtinnen und Landwirten, auch Arbeit. Denn nach dem Landesnaturschutzgesetz von Schleswig-Holstein fallen sie unter die gesetzlich geschützten Biotope und müssen gepflegt werden. So ist unter anderem vorgeschrieben, dass Knicks alle zehn bis 15 Jahre auf den Stock gesetzt (vollständig gekürzt) werden müssen. Dabei fällt auch ein gewisser Holzertrag an.

Schätzung des Holzertrags bietet diverse Vorteile

Nach der Ernte könnte der Holzertrag durch Wiegen ermittelt werden. Aber nicht immer soll eine Wallhecke gleich abgeholzt werden. Deshalb wäre es von Vorteil, wenn mittels eines nicht invasiven Schätzverfahrens auch der Holzertrag bestehender Knicks erfasst werden könnte. Das hätte noch weitere Vorzüge:

  • Landwirtinnen, Landwirte und Lohnunternehmer können einen reellen Preis für das Holz noch stehender Knicks/Knickabschnitte ermitteln.
  • Es vereinfacht logistische Planungen, zum Beispiel die Anzahl der notwendigen LKWs für den Abtransport des Holzes.
  • Es erleichtert Entscheidungen über notwendige Pflegemaßnahmen des Knicks.
  • Es unterstützt die nachhaltige Bewirtschaftung von Agroforstsystemen, sogenannten Kurzumtriebsplantagen (KUP), und dient der optimalen Nutzung der hölzernen Biomasse.
  • Im größeren Maßstab können genaue Massenschätzungen helfen, das in Holz gebundene Kohlendioxid einer Region zu erfassen. Diese Daten können in Klima-Modelle eingebunden werden und diese verbessern.

Ziel des Projekts „Nachhaltige Biomassenutzung“ der Europäischen Innovationspartnerschaft landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP Agri) war daher, zu ermitteln, welche nicht invasive Methode gute Vorhersagen des Holzertrags liefern kann und wie gut sie für die landwirtschaftliche Praxis geeignet ist.

Ergebnisse kompakt zusammengefasst

Bedingt durch die natürliche Variation der Bäume eines Knicks werden vermutlich auch zukünftige Anwendungen die im EIP-Projekt „Nachhaltige Biomassenutzung“ erzielten Fehlerquoten von circa 30 Prozent aufweisen. Eine genauso exakte, aber wesentlich weniger aufwendige Alternative könnte die Ermittlung der Gehölzhöhen über die Geodaten der Landesvermessungsämter zur Volumenermittlung und so – über das hier vorgestellte Volumenmodell – zur Schätzung des Holzertrages genutzt werden.


VIP-Projekt „Nachhaltige Biomassenutzung“ im Video


Ablauf des Vorhabens

Die beteiligten Landwirtinnen und Landwirte suchten gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Kiel jährlich drei Knicks aus, die die Region Plön gut repräsentierten und die zum Abholzen vorgesehen waren. Die Knicks unterschieden sich hinsichtlich ihrer Ausrichtung (Himmelsrichtung), ihrer Artenzusammensetzung, ihrer Breite und ihrer Holzausbeute voneinander.

Bild: Dr. Eiko Thiessen

In den drei ausgewählten Knicks wurden jeweils 100 Meter als Versuchsabschnitte ausgewählt. Für die Tests wurden diese Abschnitte in Segmente von jeweils zehn Metern unterteilt. Die Holzmasse dieser Segmente wurde mit verschiedenen nicht invasiven Methoden erfasst:
1. das Errechnen der Masse durch allometrische Gleichungen,
2. das Erstellen von Volumenmodellen (3D-Modelle) und
3. die Auswertung von Luftbildern.
4. Das Wiegen des Holzes nach der Ernte diente als Referenzmethode.
Im Folgenden stellen wir die vier Methoden genauer vor.

1. Von der Größe zum Gewicht (allometrische Methode)

Bekannt ist die allometrische Methode aus der Forstwirtschaft: Waldbesitzer schätzen den Holzertrag ihrer Bäume, indem sie den Durchmesser in Brusthöhe messen und die Holzmasse dann mit Hilfe einer Formel errechnen oder in entsprechenden Tabellen nachschlagen.

Knicks verhalten sich in ihrer Masseentwicklung jedoch anders als die Bäume im Wald. Deshalb mussten die Parameter der forstwirtschaftlichen Formeln für Knicks anpasst werden: so flossen die Brusthöhendurchmesser großer Bäume (Durchmesser größer als 10 Zentimeter) sowie die Anzahl kleiner Bäume (Durchmesser kleiner als 10 Zentimeter) ein. Für diese Methode waren deshalb umfangreiche Datenerhebungen erforderlich.

Ein Octocopter fliegt den Knick ab.
Bild: Dr. Eiko Thiessen

2. Erstellen von 3D-Modellen (Volumenmodelle)

Um 3D-Modelle von Knicks zu erstellen, wurden die Wallhecken vor dem Abholzen mit einer Drohne ausgekundschaftet. Die Drohnen flogen die Knicks im Abstand von 30 Metern ab und nahmen dabei ein bis zwei Bilder pro Sekunde auf. Sie fotografierten die Knicks aus den unterschiedlichsten Perspektiven und in verschiedenen Höhen (zum Beispiel in 5, 15 und 30 Meter Höhe) und sammelten bis zu 1.200 Bilder von einem 100-Meter-Abschnitt.

Aus den sich überlappenden Fotos wurde im nächsten Schritt eine 3D-Punktwolke konstruiert, welche die äußeren Umrisse des Knicks darstellt. So konnte das Volumen des Knicks geschätzt und Rückschlüsse auf die Holzmasse gezogen werden. Diese Untersuchungen wurden im belaubten, unbelaubten und abgeholzten Zustand wiederholt.

3. Auswertung von Luftbildern (Flächenmodell)

Bilder aus der Luft können recht einfach mit Hilfe von Flugzeugen und Satelliten gewonnen werden. Im Rahmen des EIP-Projekts wurden Bilder aus dem Vorjahr der Knickernte genutzt. Um die Fläche der Knicks zu bestimmen, wurden die 10-Meter-Segmente genau ins Luftbild eingezeichnet. In die Masseberechnungen floss außerdem das Alter der Knicks ein, da bekannt ist, dass ein Knick im Jahr ungefähr 500 Gramm pro Quadratmeter an trockener Holzmasse zulegt.

4. Ernte als Referenzmethode

Zum Schluss wurden die Knicks auf den Stock gesetzt, das Holz abschnittsweise in Haufen gelegt und gewogen. Je Knicksegment wurden drei Proben für Trockenmasse, Asche und Brennwert gezogen.

Genauigkeit und Aufwand der unterschiedlichen Methoden

Die allometrische Methode und die Volumenmodelle lieferten vergleichbare Ergebnisse. Ihre Fehlerquoten betrugen jeweils circa 30 Prozent. Dabei waren die Volumenmodelle weniger zeitaufwendig als die allometrische Methode, erforderten jedoch einen höheren technischen Aufwand. Im Einzelnen erbrachten die Untersuchungen folgende Ergebnisse:

1. Allometrische Methode ist zeitaufwendig in der Datenerhebung

Biomasseeinschätzungen, die auf allometrischen Gleichungen basieren, sind recht genau. In den Tests, die im Rahmen des Projekts durchgeführt wurden, betrug die Fehlerquote 28 Prozent. Aufgrund des enormen Aufwands für die Datenerhebung sind sie jedoch sehr zeitaufwendig: die großen Bäume müssen vermessen und die kleineren Bäume gezählt werden. Auf diese Weise dauert die Kartierung eines Knickabschnitts von 100 Metern circa 20 Stunden.

Ein diskussionswürdiges Ergebnis der allometrischen Messungen: Ein Baum, der einen Brusthöhendurchmesser von weniger als 10 Zentimeter aufweist, wiegt durchschnittlich 1,6 Kilogramm.

Volumenmodell eines Knicks.
Bild: Dr. Eiko Thiessen

2. Hoher Rechenaufwand bei Volumenmodellen

Die Fehlerquote des Volumenmodells lag im Versuch bei 38 Prozent. Volumenmodelle sind in der Datenaufnahme weniger zeitaufwendig als die allometrischen Schätzungen. Die Datenaufnahme dauert insgesamt zwei bis fünf Stunden pro 100 Meter. Doch das Verrechnen der Bilder am Computer kann Tage in Anspruch nehmen. Im Projekt waren es durchschnittlich zwei Tage Rechenzeit.

Insgesamt modelliert die 3D-Variante gut die Umrisse von Gehölzen; feinere Strukturen wie Reisholz (Durchmesser kleiner als 7 Zentimeter) sind jedoch nicht darstellbar. Das Volumen unter den Baumkronen gibt die zu erntende Holzmasse recht gut wieder: Je Kubikmeter Knick fallen im Mittel 1,1 Kilogramm Holztrockenmasse an.

Ungefähr 200 Meter Knick konnte die verwendete Drohne mit einem Flug abarbeiten. Limitierende Faktoren können mangelnder Sichtkontakt, die begrenzte Akkulaufzeit und eventuelle Hindernisse sein.

3. Luftbilder sind ungenau

Luftbilder sind am leicht zu beschaffen, weil sie einfach bei entsprechenden Dienstleistern abgerufen werden können. Doch sie sind auch am ungenauesten. In den Tests wiesen sie eine Fehlerquote von 48 Prozent auf. Deshalb sind Luftbildaufnahmen eher für grobe, aber großflächige Anwendungen geeignet. Darüber hinaus hakt es oft an der Altersbestimmung der Knicks; Landwirtinnen und Landwirte konnten das Alter der Knicks selten exakt beziffern, erst durch Zählung der Jahresringe gab es objektive Daten.

Projektbeteiligte

Im Projekt "Nachhaltige Biomassenutzung" arbeiteten zehn landwirtschaftliche und gartenbauliche Unternehmen der Region Plön (Schleswig-Holstein), der Landesverband der Lohnunternehmer in Land- und Forstwirtschaft Schleswig Holstein e. V., das Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel, die Abfallwirtschaftsgesellschaft Rendsburg-Eckernförde mbH, das 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen – Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e. V., die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, der Kreisbauernverband Plön sowie das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in der Operationellen Gruppe des EIP-Projektes „Nachhaltige Biomassenutzung“ zusammen. Das Projekt startete im Herbst 2016 und endete im September 2019.

Letzte Aktualisierung 03.07.2024

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Informationsangebote